Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die form- und fristgerechte Anfechtung der Erbausschlagung; Antragsbefugnis für Nachlassgläubiger im Erbscheinserteilungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die formgerechte Anfechtungserklärung bezüglich einer vorausgegangenen Erbausschlagung erfordert bei Abgabe der Erklärung in öffentlich beglaubigter Form den Eingang der Originalurkunde beim Nachlassgericht.
2. Die Übermittlung der als Papierurkunde erstellten notariell beglaubigten Anfechtungserklärung in Gestalt einer pdf-Datei über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Nachlassgericht reicht zur Wahrung der erforderlichen Form für eine wirksame Anfechtung der Erbausschlagung nicht aus.
3. Einem Nachlassgläubiger steht gem. § 792 ZPO eine Antragsbefugnis zur Erteilung eines Erbscheins nur dann zu, wenn er einen titulierten Anspruch gegen den Nachlass hat.
Normenkette
BGB §§ 1945, 1955, 1960; ZPO § 792
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Bezirks ... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - ... vom 09.12.2021, Az. VI 2008/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Zur Vertretung der unbekannten Erben nach A, geb. am ..., verstorben am ...2019, zuletzt wohnhaft ..., gegenüber Ansprüchen des Bezirks ... gegen den Nachlass wird Nachlasspflegschaft angeordnet.
Als Nachlasspfleger für den vorgenannten Wirkungskreis wird ausgewählt: ...
Der Nachlasspfleger führt die Pflegschaft berufsmäßig aus.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.806,61 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag eines Gläubigers auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft, welcher vom Nachlassgericht zurückgewiesen worden ist.
Am ...2019 ist der Erblasser A ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. Seine Eltern waren bereits vorverstorben. Die Beteiligten X und Y sind seine Geschwister. Diese hatten die Erbschaft mit Erklärungen vom 30.09.2019 und 01.10.2019 zunächst ausgeschlagen. Ebenso haben die Töchter der X die Erbschaft ausgeschlagen sowie die Abkömmlinge eines weiteren, vorverstorbenen Bruders des Erblassers.
Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 25.10.2019 wurde für die unbekannten Erben Nachlasspflegschaft zur Abwicklung des Mietverhältnisses des Erblassers und zur eventuellen Sicherung des Nachlasses angeordnet. Zum Nachlasspfleger war ... bestellt worden.
Mit Verfügung vom 10.08.2020 wurde den Beteiligten X und Y unter Übersendung einer Kopie des Nachlassverzeichnisses mitgeteilt, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass vorhanden sein dürfte, die Erben daher von Amts wegen zu ermitteln seien und die Beteiligten um Mithilfe bei deren Ermittlung gebeten werden. Das Nachlassverzeichnis enthielt die Eintragung, dass der Erblasser am Todestag über Bankguthaben in Höhe von 17.982,00 EUR verfügt habe.
Daraufhin ging am 29.09.2020 beim Amtsgericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach die Vertretungsanzeige von Rechtsanwältin ... für die Beteiligten X und Y ein mit der Mitteilung, die Beteiligten hätten am heutigen Tage ihre Erbausschlagungserklärungen angefochten, ihre notariell beglaubigte Anfechtungserklärung würde anliegend übermittelt und im Original auf dem Postweg nachgereicht. Der Eingang des Originals der Erklärung erfolgte am 01.10.2020. Auf den Inhalt der notariell beglaubigten Anfechtungserklärung der beiden Beteiligten wird Bezug genommen (Bl. 74 ff / 78 ff d. A.).
Am 24.03.2021 hob das Nachlassgericht die mit Beschluss vom 25.10.2019 angeordnete Nachlasspflegschaft auf, da der Wirkungskreis erledigt und die Erben ermittelt seien. Mit Verfügung vom gleichen Tag stellte es fest, dass X und Y als Miterben zu je 1/2 in Betracht kämen. Die Verfügung wurde u. a. der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten und den bekannten Nachlassgläubigern, insbesondere dem Bezirk ..., mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 03.09.2021 und 06.09.2021 beantragte der Bezirk ... die Bestellung eines Nachlasspflegers. Der Bezirk habe dem Erblasser bis zum 30.06.2018 Blindenhilfe gewährt. Es errechne sich ein ersatzfähiger Sozialhilfeaufwand in Höhe von 6.806,61 EUR, welcher nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend zu machen sei. Die ermittelten Erben X und Y verfolgten die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung offenbar nicht mehr weiter. Die Verfahrensbevollmächtigte von X und Y habe dem Bezirk mit Schreiben vom 23.04.2021 erklärt, dass deren Erbenstellung nicht gesichert sei. Ob die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung überhaupt wirksam sei, sei nur in einem aufwändigen Erbscheinsverfahren zu klären. Mit Schreiben vom 30.11.2021 und 01.12.2021 führte der Bezirk seinen Antrag weiter aus und erklärte insbesondere, dass der Kostenersatzanspruch drei Jahre nach dem Tod des Erblassers erlösche, mithin Ende August 2022.
Mit Beschluss vom 09.12.2021...