Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine Vertretung im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins kann sich der Antragsteller vertreten lassen. Hierfür ist eine schriftliche Vollmacht ausreichend.
2. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. 352 Abs. 3 S. 3 FamFG kann bei einem nicht geschäftsfähigen Antragsteller durch einen Vorsorgebevollmächtigten erfolgen (im Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 20.06.2018, 6 W 78/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.04.2018, 25 Wx 68/17).
Normenkette
FamFG § 10 Abs. 2 Nr. 2, § 11 S. 1, § 352
Verfahrensgang
AG Bremen-Blumenthal (Aktenzeichen 50 VI 1237/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Bremen vom 18.05.2021 aufgehoben und an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1.) vom 16.11.2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I. Der in einer Pflegeeinrichtung verstorbene Erblasser hat seine Ehefrau und seine Tochter hinterlassen. Die Ehefrau - die Beteiligte zu 2.) - leidet ausweislich eines Attestes vom 30.04.2020 an einer Parkinson-Demenz (ICD G21.1) und ist nach einer ärztlichen Stellungnahme vom 24.08.2021 deswegen nicht mehr geschäftsfähig. Die Ehefrau hatte am 22.03.2013 eine schriftliche Vorsorgevollmacht errichtet, in der sie den Erblasser, ersatzweise ihre Tochter - die Beteiligte zu 1.) - u.a. dahingehend bevollmächtigt hatte, sie gegenüber Gerichten bei allen denkbaren Anträgen und Verfahrenshandlungen zu vertreten. Nach ihrem weiteren Inhalt sollte die Vollmacht eine rechtliche Betreuung ersetzen. Gestützt auf diese Vollmacht und ein von dem Erblasser gemeinsam mit der Beteiligten zu 2.) verfasstes gemeinschaftliches Testament errichtete die Beteiligte zu 1.) am 16.11.2020 vor einem Notar in Vollmacht für die Beteiligte zu 2.) einen Erbscheinsantrag, ausweislich dessen der Erblasser von der Beteiligten zu 2.) als seiner alleinigen Erbin beerbt worden ist. Die hierzu notwendige eidesstattliche Versicherung gab die Beteiligte zu 1.) ebenfalls in der Urkunde ab.
Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts wies durch Verfügung vom 14.12.2020 darauf hin, dass dem Erbscheinsantrag u.a. deswegen nicht entsprochen werden könne, weil eine Stellvertretung bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 352 FamFG nicht zulässig sei, denn dabei handele es sich um eine Wissenserklärung. Nachdem die Beteiligte zu 1.) zunächst die Einrichtung einer Betreuung in Aussicht stellte, begehrte sie später eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Mit Beschluss vom 18.05.2021 lehnte das Nachlassgericht den Erlass des Erbscheins ab. Zwar sei bei der Antragstellung im Erbscheinsverfahren durchaus eine Stellvertretung zulässig, doch gelte dies nicht für die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG erforderliche eidesstattliche Versicherung. Wenn der Erbe nicht mehr in der Lage sei, die Eidesstattliche Versicherung abzugeben, könne dies durch den gesetzlichen Vertreter oder einen Vorsorgebevollmächtigten (OLG Celle, Beschl. v. 20.06.2018, 6 W 78/18) geschehen. Ob die Beteiligte zu 2.) nicht mehr in der Lage sei, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, sei nicht dargetan; die vorliegende Vorsorgevollmacht sei lediglich in maschinenschriftlicher Form abgefasst und nicht notariell beurkundet oder beglaubigt, so dass die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2.) für den Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde nicht geprüft worden sei und auch ihre Urheberschaft zweifelbehaftet sei.
Gegen diesen Beschluss, der dem Notar am 27.05.2021 durch Zustellung bekannt gemacht worden ist, wendet sich dieser für die Beteiligte zu 1.) mit seiner am 25.06.2021 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Die Beteiligte zu 2.) könne die eidesstattliche Versicherung selbst nicht mehr abgeben, weil sie nicht mehr geschäftsfähig sei. In solchen Fällen lasse die Rechtsprechung (OLG Celle, OLG Düsseldorf) die Stellvertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten zu. Die Formbedenken des Nachlassgerichts seien rechtlich nicht tragfähig, weil die Vollmacht gem. § 167 Abs. 2 BGB nicht der Form bedürfe, die das in Stellvertretung abzuschließende Rechtsgeschäft erfordere. Mit nicht näher begründetem Beschluss vom 6.07.2021 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gem. §§ 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG zulässige Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als es zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht gem. 69 Abs. 1 S. 3 FamFG führt.
Das Nachlassgericht darf die Erbscheinserteilung nicht mit der bisher gegebenen Begründung verweigern.
Soweit das Nachlassgericht - soweit erkennbar - erstmals im Beschluss vom 18.05...