Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für die wirksame Errichtung eines Nottestaments ("Drei-Zeugen-Testament"), insbesondere einer objektiv vorliegenden oder subjektiv nach Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehenden nahen Gefahr des Todes im Sinne des § 2250 BGB (hier verneint aufgrund einer Gesamtschau der Umstände bei der an einer schweren Lungenkrankheit im Endstadium ["COPD - GOLD IV"] leidenden Erblasserin).
Normenkette
BGB § 2250 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Beschluss vom 01.09.2016; Aktenzeichen 92b VI 75/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 6.10.2016 wird der Beschluss des Nachlassgerichts Düsseldorf vom 1.9.2016 geändert. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 26.2.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) war der Lebensgefährte der Erblasserin, lebte aber in seiner eigenen Wohnung in Essen.
Die Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 2) verheiratet. Die Eheleute lebten seit Jahren getrennt voneinander. Ein von dem Beteiligten zu 2) im Jahre 2008 beim AG Düsseldorf (Az.: 257 F 131/08) gestellter Scheidungsantrag war mangels Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nie rechtshängig geworden.
Die Erblasserin litt unter anderem an COPD (GOLD IV), einer schweren Lungenkrankheit im Endstadium. Sie erhielt zuletzt eine Heim-Sauerstoff-Therapie und verließ das Haus nur noch für Arztbesuche.
Bereits im November 2015 äußerte die Erblasserin gegenüber der Zeugin K., einer langjährigen Nachbarin, den Wunsch, ein Testament zu errichten. Die Zeugin K. informierte sich daher über die Formvorschriften eines Testaments.
Mit Schreiben vom 4.1.2016 erhielt die Erblasserin von ihren behandelnden Ärzten noch einmal einen Bericht über den ärztlichen Befund "COPD (GOLD IV), chronische Herzinsuffizienz und arterielle Hypertonie".
Am Samstagabend, dem 23.1.2016, schaute die Zeugin K. gegen 22.00 Uhr nach der Erblasserin. Bei dieser Gelegenheit erklärte die Erblasserin (erneut), sie wolle jetzt auf jeden Fall ein Testament errichten. An diesem Abend hatte die Zeugin K. Besuch von einem Bekannten, dem Zeugen L., der auch über Nacht bleiben wollte. Die Zeugen K. und L. fassten den Entschluss, der Erblasserin behilflich zu sein, um diese zu beruhigen. Sie setzten sich umgehend an den Computer, um sich im Internet über die Formalitäten für ein Nottestament zu informieren und die Einleitung eines Nottestaments auf dem Computer zu schreiben.
In dem von ihnen vorbereiteten "Nottestament" wird im ersten Absatz zunächst der ärztliche Befund der sie behandelnden Ärzte unter Hinweis auf deren Schreiben vom 4.1.2016 wiedergegeben. Sodann heißt es im zweiten Absatz:
"Vor allem dieses Krankheitsbild führte seit dem Sommer 2015 zur wiederholten hospitalen Aufnahme unter Einsatz von Notarzt und Rettungswagen. Frau (...) war gesundheitlich in keiner Weise in der Lage, das Haus zu verlassen. Die akute Todesahnung, die nachhaltige Atemnot und zunehmende Schwäche von (...) führten zur Formulierung ihres letzten Willens vor Zeugen, der mit nachstehender Niederschrift als Nottestament dokumentiert ist. Aufgrund des Krankheitsbilds, insbesondere der anhaltenden Schwäche von (...), ist sie schreibunfähig und bat um nachstehende Niederschrift, welche(s) sie eigenhändig vor Zeugen unterschreiben möchte".
Am Sonntag, dem 24.1.2016, begaben sich die Zeugen K. und L. gegen 10.00 Uhr zu der Erblasserin, um mit ihr den Inhalt des von ihr gewünschten Testaments zu besprechen.
Gegen 11.00 Uhr hatten die Zeugen K. und L. maschinenschriftlich ein knapp zweiseitiges "Nottestament" fertiggestellt, in dem die Erblasserin den Beteiligten zu 1) zum "befreiten Alleinerben mit nachstehendem Vermächtnis" berief und diverse andere Anordnungen traf. Sodann wurde die in der Nähe wohnende Nichte der Zeugin K., die Zeugin B., telefonisch gebeten, vorbeizukommen, um als dritte Zeugin zur Verfügung zu stehen. Nach deren Eintreffen wurde der Entwurf des Nottestaments vorgelesen und sodann von der Erblasserin unterschrieben.
Unterhalb der Unterschrift der Erblasserin befindet sich folgender von den Zeugen unterschriebener Zusatz:
"Die Niederschrift dieses Nottestaments wird durch nachstehende Zeugen bestätigt. Die Zeugen erklären mit ihrer Unterschrift, dass für sie keine Ausschlussgründe gemäß § 2250 Abs. 3 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, §§ 7, 26 Abs. 2 Nr. 2 bis 5, § 27 des Beurkundungsgesetzes vorliegen."
Nachdem die Zeugen das Testament unterzeichnet hatten, verließen sie nacheinander die Wohnung der Erblasserin. Gegen Mittag erschien der Beteiligte zu 1).
Am Montagmorgen, dem 25.1.2016, wurde die Erblasserin auf ihren Wunsch mit einem Rettungswagen ins St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf gebracht und in der Intensivstation aufgenommen. Dort kam es zu einer Asystolie; die Erblasserin wurde reanimiert und intubiert. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung des Zustandes zeigte sie jedoch trotz Reduzierung der Sedierung keine adäquaten Reaktionen auf Ansprache und Schmerzreize. Ein Schädel-CT zeigte Zeichen eines links...