Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung: Anordnung einer Testamentsvollstreckung auf verschlossenem Briefumschlag bei Unwirksamkeit der sich im Umschlag befindlichen weiteren testamentarischen Verfügungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Feststellung, ob eine Urkunde mit Testierwillen errichtet wurde, handelt es sich um eine im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, die vom Tatrichter im Wege der Auslegung unter Heranziehung aller erheblichen - auch außerhalb der Urkunde - liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen ist. Die getroffenen Feststellungen der Tatsacheninstanzen können in der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden.

2. Entspricht die Form des Schriftstücks nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten, sind an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen.

3. Es bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen die Annahme, dass auf einem verschlossenen Briefumschlag befindliche handschriftliche Erklärungen, die mit der Überschrift "Testament", einer Zeitangabe und einer Unterschrift versehen sind, nicht nur eine Bezeichnung des Umschlagsinhalts sein sollten, sondern im Bewusstsein einer rechtlich bedeutsamen Erklärung auf den Todesfall abgegeben wurden.

4. Unwirksamkeit oder Wegfall des die Verteilung des Nachlasses regelnden Testaments führen nicht ohne weiteres zur Gegenstandslosigkeit einer hierauf bezogenen formwirksamen testamentarischen Anordnung der Testamentsvollstreckung. Diese kann vielmehr nur gemäß den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten widerrufen werden.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Beschluss vom 26.03.2009; Aktenzeichen 62 T 163/07A)

 

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten 1 gegen den Beschluss des LG Konstanz vom 26.3.2009 (62 T 163/07A) wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen und den übrigen Beteiligten die in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf EUR 15.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der weiteren Beschwerde gegen die Ablehnung eines von ihr beantragten Erbscheins.

Am 17.8.2004 verstarb die Erblasserin A. F. in K.. Gesetzliche Erben sind die Beteiligte 1 (Schwester der Erblasserin) und die Beteiligten 2 und 3 (Kinder der vorverstorbenen weiteren Schwester E. Be. der Erblasserin). Die Beteiligten 4 und 5 wurden von der Erblasserin in letztwilligen Verfügungen als Testamentsvollstrecker benannt. Der Beteiligte 6 ist der vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlasspfleger.

Dem Notariat -Nachlassgericht- liegen vor:

a) 2 braune Umschläge mit jeweils gleichlautender von der Erblasserin stammender handschriftlicher Aufschrift:

"Testament

Mai 2000

zu meiner letzten Verfügung

testamentarisch auszuführen

gemeinsam, von

Herrn W. Sch., Diplom Ing..

u. Herrn W. Bü., Steuerber.

Frau A. F., geb. B."

In den von den Beteiligten 4 und 5 dem Nachlassgericht übergebenen Umschlägen befindet sich jeweils eine (identische) einfache Fotokopie eines handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom Mai 2000.

b) Eine von der Beschwerdeführerin dem Nachlassgericht übergebene einfache Fotokopie eines handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom Mai 1996, wobei zwei Blätter mit handschriftlichen (Original-)Zusätzen der Erblasserin versehen sind.

c) Ein maschinenschriftlicher "Entwurf Testament Frau A. F." ohne Zeitangabe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1.3.2005 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung eines Erbscheins gemäß gesetzlicher Erbfolge, der sie zu 1/2-Erbteil und die Beteiligten 2 und 3 zu je 1/4-Erbteil als Erben ausweisen sollte. Sie ist der Auffassung, ein wirksames Testament liege nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass das Original-Testament von Mai 2000 von der Erblasserin vernichtet worden sei.

Mit Beschluss vom 18.1.2006 hat das Nachlassgericht einen Vorbescheid erlassen und angekündigt, den gewünschten Erbschein zu erteilen, jedoch mit dem Zusatz, dass Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Die Ermittlungen hätten zu dem Ergebnis geführt, dass die Erblasserin zur Bestimmung ihrer Erbfolge die Verfügungen von Mai 1996 und Mai 2000 als Verfügungen von Todes wegen errichtet und nicht widerrufen oder bewusst vernichtet habe. Da die in den Verfügungen bestimmten Zuwendungen an Einzelpersonen und Institutionen den Nachlass nicht ausschöpften, sei insoweit von Vermächtnissen bei gesetzlicher Erbfolge auszugehen. Außerdem sei Testamentsvollstreckung angeordnet, wie sich schon aus dem handschriftlichen Originalvermerk auf dem (bis dahin nur vom Beteiligten 5 vorgelegten) Umschlag ergebe.

Dagegen hat die Beteiligte 1/Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt (in den Entscheidungen des LG ist versehentlich von einer Beschwerde der Beteiligten 1 bis 3 die Rede), der das Nachlassgericht mit Verfügung vom 2.2.2006 nicht abgeholfen hat. Auf die Beschwerde hat das LG Konstanz mit Beschluss vom 21.7.2006 ...

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