Leitsatz
Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden und die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben.
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist in leitender Stellung bei einem Unternehmen beschäftigt. Seine Tätigkeit ist mit umfangreicher Auswärtstätigkeit verbunden. Sein Arbeitgeber stellte ihm einen Dienstwagen zur Verfügung, den der Kläger auch privat nutzen durfte. Den geldwerten Vorteil des Klägers aus der Privatnutzung des Dienstwagens besteuerte der Arbeitgeber nach der 1%-Regelung.
Im Klageverfahren gegen den ESt-Bescheid 1996 führte der Kläger an, er habe mit dem Firmenwagen – bei zusätzlich vorhandenem Privat-Pkw – nur etwa 1.300 km privat zurückgelegt. Bei einem km-Satz von 0,6175 DM ergebe sich nur ein Nutzungsvorteil von 821 DM.
Diese Berechnung ergebe sich aus zeitnah gefertigten Aufzeichnungen, und zwar aus einer Übersicht mit den täglich notierten Terminen und des Weiteren aus Notizzetteln, auf denen er – getrennt für jeden Tag nach jeder Fahrt – die angefahrene Stadt und die zurückgelegten Kilometer aufgeschrieben habe. Letztlich habe er auf Monatsübersichten zurückgegriffen, in die regelmäßig am Abend desselben Tags, jedenfalls aber zum Wochenende, die Werte der Aufzeichnungen übertragen worden seien.
Im Klageverfahren übergab der Kläger noch ein hierauf beruhendes, nachträglich erstelltes Fahrtenbuch. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Nach den vorgenannten Grundsätzen liege ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht vor. Die nachträgliche Zusammenfassung lose gefertigter Aufzeichnungen reiche nicht aus. Mangels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs sei im Streitfall die 1%-Regelung (zwingend) anzuwenden.
Hinweis
1. In mehreren Entscheidungen hat der BFH nunmehr abschließend dazu Stellung genommen, welche formalen und inhaltlichen Kriterien an ein "ordnungsgemäßes Fahrtenbuch" zu stellen sind. Wie bekannt, ist der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs gesetzlich nicht näher bestimmt. Die Besprechungsentscheidung VI R 27/05 befasst sich im Wesentlichen mit allgemeinen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Das Urteil vom 16.11.2005, VI R 64/04, BFH-PR 2006, 218 präzisiert, wann eine Computer-Datei als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anerkannt werden kann. Schließlich befasst sich das Urteil vom 16.3.2006, VI R 87/04, BFH-PR 2006, 219 mit den inhaltlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.
2. Nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG kann ein individueller Nutzungswert aufgrund eines Einzelnachweises nur angesetzt werden, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliegt. Anderenfalls ist die 1%-Regelung (zwingend) anzuwenden.
3. Aus Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut der vorgenannten Regelung und dem Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ergeben sich bestimmte Mindestanforderungen. Sinn und Zweck der Regelung bestehen darin, dass die – dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils (Privatfahrten einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) an der Gesamtfahrleistung dienenden – Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen.
4. Dem Begriff Fahrten-"Buch" lässt sich insbesondere entnehmen, dass dieses zeitnah und in geschlossener Form zu führen ist und dass es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt. Denn das Fahrten-"Buch" hat als Eigenbeleg des Fahrzeugführers begrifflich die Aufgabe, über die mit einem Fahrzeug unternommenen Fahrten Rechenschaft abzulegen. Da die dabei zu führenden Aufzeichnungen eine "buch"-förmige äußere Gestalt aufweisen sollen, verlangt schon der allgemeine Sprachgebrauch, dass die erforderlichen Angaben in einer gebundenen oder jedenfalls in einer in sich geschlossenen Form festgehalten werden müssen, die nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließt oder zumindest deutlich als solche erkennbar werden lässt.
Lose Notizzettel können daher schon in begrifflicher Hinsicht kein "Fahrtenbuch" sein.
Fazit: Den gesetzlichen Anforderungen wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.11.2005, VI R 27/05