Akteneinsicht zu nehmen erweist sich regelmäßig als strategisch sinnvolle Maßnahme, weil sich Ermessensfehler oder die (Einzelfall-)Umstände, auf die die Finanzbehörde maßgeblich ihre Entscheidung stützt, u.U. erst aus der Finanzamtsakte ergeben.

Kein Akteneinsichtsanspruch aus der AO: Die AO gewährt Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber der Finanzbehörde. Der mit der Akteneinsicht verbundene Verwaltungsaufwand sei unverhältnismäßig, weil zu schützende Informationen Dritter und behördeninterne Unterlagen aus der Akte ausgeheftet oder geschwärzt werden müssten (BT-Drucks. 7/4292, 24 f.). Abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) steht den Beteiligten aber zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über den Antrag auf Akteneinsicht zu (BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11, BStBl. II 2013, 639, Rz. 11).

Auskunftsanspruch aus der DSGVO: Durch die DSGVO und ihre Anwendung im Finanzverfahren (§ 2a AO) hat sich die Rechtlage zugunsten des Steuerpflichtigen neu geordnet: Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat jedermann einen Auskunftsanspruch gegenüber sog. "Verantwortlichen", wozu auch die Finanzbehörde zählt, über die durch sie gesammelten und verarbeiteten personenbezogenen Daten. Der Verantwortliche hat der betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, über die Auskunft zu erteilen ist, zur Verfügung zu stellen. Wird gegenüber der Finanzbehörde Auskunft über die durch sie verarbeiteten personenbezogenen Daten beantragt, sollte hiervon in der Praxis weitgehend der gesamte Inhalt der Akte umfasst sein. Im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung fallen nur personenbezogene Daten Dritter und abstrakte rechtliche Ausführungen nicht unter das Tatbestandsmerkmal der personenbezogenen Daten (EuGH v. 17.7.2014 – C-141/12 und C-372/12, ZD 2014, 515, Rz. 48; FG München v. 3.2.2022 – 15 K 1212/19 – rkr., EFG 2022, 727, Rz. 89).

Beraterhinweis Im Anwendungsbereich des Steuerrechts kommt der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO einem Akteneinsichtsrecht nahe. Nach allgemeiner Auffassung kann der Auskunftsanspruch auch durch Akteneinsicht erfüllt werden (BMF, Schr. v. 13.1.2020 – IV A 3 - S 0130/19/10017 :004, BStBl. I 2020, 143, Rz. 66). Zu Recht leiten das FG Saarland (FG Saarl. v. 3.4.2019 – 2 K 1002/16, EFG 2019, 1217) und ein Teil der Literatur (s. z.B. Bareither / Großmann / Uterhark, BB 2019, 1111 [1115]; Bleschick, DStR 2018, 1050 [1054]; Jacoby, EFG 2019, 1217, Rz. 10) leitet aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO sogar einen gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht ab.

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