Rz. 15

Die Verfahrensabläufe der in der ImmoWertV geregelten 3 Verfahrensvarianten des Ertragswertverfahrens können schematisch wie folgt dargestellt werden:[1]

Verfahrensvarianten des Ertragswertverfahrens

Bei gleichen Ausgangsdaten führen alle 3 Verfahrensvarianten zu gleichen Ertragswerten, denn sie sind mathematisch identisch. Es handelt sich insoweit lediglich um unterschiedliche Darstellungen der Ergebnisse. Alle 3 Verfahrensvarianten entsprechen internationalen Standards. Das allgemeine und das vereinfachte Ertragswertverfahren werden allerdings als Standardverfahren angesehen.[2]

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass unter den Begriff des Ertragswertverfahrens im Rahmen der Verkehrswertermittlung noch weitere – nicht in der ImmoWertV geregelte – renditeorientierte Wertermittlungsverfahren zu subsumieren sind, wie z. B. das sog. Discounted Cash Flow Verfahren (DCF-Verfahren).

 

Rz. 16

In der steuerlichen Bewertung wird an die Standardverfahren zur Ertragswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs, das allgemeine und das vereinfachte Ertragswertverfahren, angeknüpft. Die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes wurde in Anlehnung an das allgemeine Ertragswertverfahren nach § 28 ImmoWertV[3] geregelt. Die Ermittlung des Grundsteuerwerts nach dem Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes orientiert sich nunmehr am vereinfachtenErtragswertverfahren nach § 29 ImmoWertV[4].

 

Rz. 17

Das vereinfachte Ertragswertverfahren verzichtet im Unterschied zum allgemeinen Ertragswertverfahren über die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen auf die modellhafte Aufspaltung des jährlichen Reinertrags des Grundstücks in einen Boden- und Gebäudeertragsanteil. Der jährliche Reinertrag des Grundstücks (aus dem Grund und Boden sowie dem Gebäude) wird ohne Abzug einer Bodenwertverzinsung über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen unter Heranziehung des aus dem Marktgeschehen abgeleiteten Liegenschaftszinssatzes kapitalisiert. Der am Ende der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen verbleibende – wertbeständige – Bodenwert wird nach Abzinsung auf den Wertermittlungsstichtag zusätzlich erfasst.

Strukturelle Unterschiede zwischen dem allgemeinen und vereinfachten Ertragswertverfahren

 

Rz. 18

Durch mathematische Umstellungen[5] lässt sich das allgemeine Ertragswertverfahren in das vereinfachte Ertragswertverfahren überführen. Bei gleichen Ausgangsdaten führen beide Verfahren daher mathematisch zum gleichen Ergebnis. Hierzu folgendes Beispiel:

 
Praxis-Beispiel

Ausgangsdaten:

 
jährlicher marktüblich erzielbarer Rohertrag 240.000 EUR
jährliche Bewirtschaftungskosten gesamt 34.800 EUR
bestehend aus: Verwaltungskosten 12.000 EUR
  Instandhaltungskosten 10.800 EUR
  Mietausfallwagnis 12.000 EUR
Bodenwert 250.000 EUR
Liegenschaftszinssatz 5 %
wirtschaftliche Restnutzungsdauer 40 Jahre
keine objektspezifischen Grundstücksmerkmale  

Ermittlung des Ertragswerts bei Anwendung des allgemeinen bzw. des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach der ImmoWertV

 
  allgemeines Ertragswertverfahren   vereinfachtes Ertragswertverfahren
jährlicher marktüblicher Rohertrag   240.000 EUR   240.000 EUR
Bewirtschaftungskosten 34.800 EUR 34.800 EUR
jährlicher Reinertrag   205.200 EUR   205.200 EUR
Anteil des Bodenwerts am Reinertrag (Bodenwertverzinsungsbetrag: 5 % von 250 000 EUR) 12.500 EUR    
Reinertragsanteil der baulichen Anlagen   192.700 EUR    
Kapitalisierungsfaktor (40 Jahre, 5 %) x 17,16 x 17,16
Barwert des Reinertrags       3.521.232 EUR
Ertragswert der baulichen Anlagen   3.306.732 EUR    
Bodenwert + 250.000 EUR   250.000 EUR
Abzinsungsfaktor (40 Jahre, 5 %)     x 0,1420
Bodenwert abgezinst     + 35.500 EUR
vorläufiger Ertragswert   3.556.732 EUR   3.556.732 EUR
zusätzliche Marktanpassung +/- 0 +/- 0
marktangepasster vorläufiger Ertragswert   3.556.732 EUR   3.556.732 EUR
besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale (boG)   0   0
Summe   3.556.732 EUR   3.556.732 EUR
Verkehrswert (Ertragswert)   3.560.000 EUR   3.560.000 EUR
[1] S. Nr. 27.5.1 ImmoWertA-E (Stand 22.12.2021), abgerufen von der Internetseite des BMI am 29.5.2022, sowie vormals Nr. 4.4. der Ertragswertrichtlinie.
[2] In der Fachliteratur werden diese auch als zwei- und eingleisiges Ertragswertverfahren bezeichnet (siehe Kleiber, in Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Aufl. 2020, 1732ff.).
[3] Vormals – inhaltsgleich – § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ImmoWertV 2010.
[4] In den Gesetzesmaterialien wird insoweit noch auf den inhaltsgleichen 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ImmoWertV 2010 Bezug genommen.
[5] S. Sprengnetter Immobilienbewertung, Lehrbuch und Kommentar, Bd. 8, Teil 6, Kap. 9, Abschn. 1 (Die allgemeine Form des Ertragswertverfahrens).

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