Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft einer Arbeitsförderungsgesellschaft. Abgrenzung von Entgelt und echtem Zuschuss. Vorsteuerabzug. Umsatzsteuer 1993
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgrenzung zwischen Entgelt und echtem Zuschuss wird nach der Person des Bedachten und dem Förderziel vorgenommen. Finanzierungsbeiträge, die eine Arbeitsförderungsgesellschaft vom Arbeitsamt für die Durchführung von Arbeitsförderungsmaßnahmen erhält, stellen danach einen echten Zuschuss und kein Entgelt von Dritter Seite für die dem Maßnahmeempfänger gegenüber unentgeltlich erbrachte Leistung dar, wenn die Zahlung des Arbeitsamtes zur Förderung der Gesellschaft im öffentlichen Interesse erbracht wird, ohne dass der Maßnahmeempfänger auf die Zahlung einen Anspruch hat.
2. Der Arbeitsförderungsgesellschaft fehlt hinsichtlich der unentgeltlich durchgeführten Maßnahmen die Unternehmereigenschaft, so dass sie nicht zum Abzug derjenigen Vorsteuerbeträge berechtigt ist, die im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Maßnahmen angefallen sind.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 4; EWGRL 388/77 Art. 17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern bei der Umsatzsteuer 1993. Die Klägerin ist eine Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS), deren alleiniger Gesellschafter im Streitjahr 1993 der – inzwischen verstorbene –Rechtsanwalt … S. aus Reutlingen war, der die Gesellschaftsanteile im Folgejahr an Rechtsanwalt … S. veräußerte.
Nach § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 22.1.1992 – Gegenstand des Unternehmens – ist der Zweck der Gesellschaft die Unterstützung der Planung, Organisationsdurchführung und Förderung gezielter beruflicher Bildungs- und Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen, insbesondere nach dem Arbeitsförderungsgesetz. „Hierbei sollen die Hauptfelder berufliche Bildung, Beschäftigungsförderung, innovative Projektik/Produktentwicklung und Existenzneugründungen vorrangig der Entwicklung der regionalen sozialen Infrastruktur dienen, zur Erhaltung und Verbesserung der Umwelt beitragen, Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur flankieren und ergänzen.”…
Die Klägerin betrieb von diesen vier Hauptfeldern vor allem Beschäftigungsförderung. Die Gesellschaftszwecke berufliche Bildung und innovative Projekt-/Produktentwicklung spielten praktisch keine Rolle. Die wenigen Existenzgründungen wurden aus dem ABS-Sondervermögen ausgegliedert. Die Beteiligten gehen davon aus, dass die tatsächliche Unternehmenskonzeption, die nicht in vollem Umfang mit dem Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag übereinstimmte, folgende Geschäftsfelder vorsah:
„Leistungen im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes zur sozialverträglichen Abfederung von Umstrukturierungsprozessen. Dazu gehören
- Trägerschaft von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)
- Realisierung von Umweltaufgaben im Sinne des § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes
- Einordnung und Betreuung besonderer Personengruppen entsprechend den Möglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes und den Bedingungen des Arbeitsmarktes.
Leistungen in Abstimmung mit der Treuhandanstalt bei Umstrukturierungs- und Privatisierungsvorhaben, speziell die zeitweise Übernahme von Arbeitnehmern zur
- Betreuung in Kurzarbeit
- Organisierung und Einordnung in Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie Beschäftigungsinitiativen
- Vorbereitung der Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt
Aufbau eigener Profitcenter im gewerblichen Bereich, die sich ergeben aus
- der Realisierung von Geschäftsideen der aus in Liquidation befindlichen Unternehmen übernommenen Arbeitnehmer
- ehemaligen ABM-Aufgabenstellungen, insbesondere aus dem Umweltbereich.
Die Klägerin betätigte sich in dem Hauptfeld Beschäftigungsförderung in Form verschiedener ABM-Maßnahmen (im Streitjahr insgesamt 144) vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes zugunsten der in § 2 des Gesellschaftsvertrages genannten Kommunen, Landkreisen, Waggonbau Görlitz und verschiedenen anderen Maßnahmeempfängern. In 68 Fällen zahlten die Leistungsempfänger an die Klägerin Entgelte für die erbrachten Leistungen. In den streitigen 76 Fällen stellte die Klägerin den Maßnahmeempfängern keine Rechnung, weil diese Maßnahmen ausschließlich mit Leistungen des Arbeitsamts (Zuschüsse und Kostenerstattungen) finanziert wurden. Sie erhielt Kurzarbeitergeld, Lohn- und Sachkostenerstattungen im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie Lohnkostenzuschüsse für ältere Arbeitnehmer. Die Klägerin war jeweils Maßnahmeträger und Zuschussempfänger. Sie beantragte die Maßnahmen, führte sie durch, überprüfte sie und rechnete sie ab. Mit den Maßnahmeempfängern bestanden keine vertraglichen Beziehungen.
Während einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung übergab die Klägerin am 04.04.1995 die Umsatzsteuererklärung für 1993. Darin erklärte sie 5.538.533 DM Lieferungen und sonstige Leistungen zu 15 %, was zu einer...