Rz. 34
Wie bereits unter Rz. 15 f. erwähnt, kann der Rehabilitand keine Haushaltshilfe beanspruchen, wenn im Haushalt eine andere Person (z. B. der Ehegatte oder der Lebenspartner) lebt, die den Haushalt weiterführen kann.
In der Praxis sind im Familienhaushalt lebende Ehegatten/Partner oft aus beruflichen Gründen an der Weiterführung des Haushalts verhindert. Sie sind aber bereit, sich unbezahlt beurlauben zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob – und wenn ja in welcher Höhe – in diesen Fällen der ausgefallene Verdienst vom Rehabilitationsträger erstattet wird.
Nach dem Urteil des LSG Baden-Württemberg v. 19.2.2020 (L 5 KR 2908/19) hat der Rehabilitationsträger grundsätzlich 100 % des nachgewiesenen ausgefallenen Nettoverdienstausfalls (= den konkret durch die Weiterführung des Haushalts ausgleichsfähigen finanziellen Nettoverlust) auszugleichen. Der Grund, warum der Rehabilitationsträger der Ersatzkraft das Netto- und nicht das Bruttoarbeitsentgelt erstattet, liegt darin, dass von den vom Rehabilitationsträger gezahlten Erstattungsbeträgen (= Ersatz für das ausgefallene Nettoarbeitsentgelt) keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind. Die Ersatzkraft hat somit genauso viel Geld zum Lebensunterhalt zur Verfügung, als wenn sie gearbeitet hätte.
Allerdings schränkt § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB IX den Erstattungsanspruch durch den Verweis auf § 38 Abs. 4 SGB V ein, weil die Höhe der Erstattung angemessen sein muss. Es stellt sich dabei die Frage, was noch als angemessen gilt, wenn der Nettoverdienst desjenigen, der sich zur Weiterführung des Haushalts unbezahlten Urlaub nimmt, hoch ist. Da bisher weder die Rechtsprechung noch der Gesetzgeber diese Angemessenheit definierte, haben sich in der Praxis u. a. folgende unterschiedliche Grenzwerte entwickelt:
Auffassung 1:
Nach dem heute immer noch angewandten Abschn. 5.1 Abs. 3 des Gemeinsamen Rundschreibens v. 9.12.1988 zu § 38 SGB V vertreten die Spitzenverbände der Krankenkasse die Auffassung, dass das ausgefallene Nettoarbeitsentgelt bis zu der Höhe erstattungsfähig ist, der bei einer selbst beschafften, nicht verwandten Ersatzkraft aufzuwenden gewesen wäre. Durch den gleichzeitigen Hinweis auf Abschn. 5.2 des Gemeinsamen Rundschreibens wird deutlich, dass die Vergütungsgrenze in dem Jahr 2022 (zumindest bis 30.6.2022; vgl. Rz. 29) bei einer 8-stündigen Arbeitsausfallzeit bei 82,00 EUR je Arbeitstag/Einsatztag (bzw. 10,25 EUR je Arbeitsausfall- bzw. Einsatzstunde) liegt (Einzelheiten: vgl. Rz. 29). Begründet wird dieses einmal mit dem Urteil des BSG v. 22.4.1987 (8 RK 22/85) und teilweise damit, dass die Haushaltshilfe als Entschädigung für die Verrichtung der Haushaltsarbeiten gezahlt wird und nicht als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit dem genannten Höchstbetrag sind alle anfallenden Aufwendungen, einschließlich etwa entstehender Fahrkosten, abgegolten.
Die Rehabilitandin hat bisher den Haushalt geführt bzw. die 4 und 2 Jahre alten Kinder versorgt. In der Zeit vom 4.3.2022 bis 30.6.2022 befindet sie sich in einer von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführten "Fortbildungsmaßnahme" (= Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). Der sonst berufstätige Ehegatte (Arbeitszeit: von montags bis freitags jeweils 8 Stunden täglich) bleibt der Arbeit fern, um anstelle der Rehabilitandin den Haushalt zu führen und die Kinder zu versorgen; er hat von seinem Arbeitgeber dafür unbezahlten Urlaub erhalten.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Stellung einer Haushaltshilfe sind erfüllt.
Lösung:
Der Ehegatte der Rehabilitandin erhält das nachgewiesene, ausgefallene Nettoarbeitsentgelt bis zu dem oben erwähnten Höchstsatz (bis 8 Stunden × 10,25 EUR = 82,00 EUR täglich je Arbeitstag) erstattet. Für Samstage und Sonntage bzw. Feiertage wird das Nettoarbeitsentgelt nicht erstattet, da der Ehegatte arbeitsfrei gewesen wäre.
Das ausgefallene Nettoarbeitsentgelt ist durch den Arbeitgeber zu bescheinigen. Bei Selbständigen ist der Ausfall des Arbeitseinkommens in geeigneter Weise glaubhaft zu machen (z. B. durch Steuerbescheide oder einer Erklärung des Steuerberaters).
Nimmt ein Arbeitnehmer in einem Monat z. B. an 3 Tagen – und zwar von Mittwoch bis Freitag – unbezahlten Urlaub, ist maßgebend, für wie viele Resttage des Monats der Arbeitgeber Arbeitsentgelt zahlt. Dem Arbeitgeber steht es frei, z. B. bei Monatsgehaltsempfängern den "Lohn"-Abzug entsprechend der betrieblichen Gepflogenheiten nach tatsächlichen Fehl-Arbeitstagen oder nach tatsächlichen Fehl-Kalendertagen zu berechnen (sofern keine tarifliche oder betriebliche Vereinbarung getroffen wurde). Diese legale Handlungsweise muss der Rehabilitationsträger bei der Berechnung des Nettoverdienstausfalls und der Beurteilung der Angemessenheit der Entschädigung für den Einsatz als Haushaltshilfe berücksichtigen. Wurde das Arbeitsentgelt z. B. monatlich gezahlt und der entsprechende Teil des Arbeitsentgeltes für die fehlenden Kalendertage einbehalten, ist Haushaltshilfe auch für arbeitsfreie Samsta...