Rz. 4
Durch § 208a Abs. 2 AO werden dem BZSt zur Erfüllung seiner Aufgaben die gleichen Befugnisse wie den FÄ und den Hauptzollämtern zugewiesen. Zulässig ist damit sowohl die Ermittlung bislang unbekannter Steuerfälle als auch die Ermittlung unbekannter steuerlicher Sachverhalte bei bereits bekannten Stpfl.
Demnach liegt ein "unbekannter Steuerfall" vor, wenn noch ungewiss ist, ob durch einen – ggf. noch unbekannten – Stpfl. ein Sachverhalt verwirklicht wurde, der einen – ggf. noch nicht geltend gemachten – Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis begründet hat. Der Begriff des Steuerschuldverhältnisses bezieht sich dabei auf die Reichweite der Ermittlungsbefugnis des BZSt, namentlich den in § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 2 FVG abschließend aufgezählten Aufgabenkatalog. Ermittlungshandlungen außerhalb dieses Zuständigkeitsbereichs sind demnach i. d. R. rechtswidrig. Erlangt das BZSt im Rahmen rechtmäßiger Ermittlungen Erkenntnisse, die die Besteuerung durch die Landesfinanzbehörden betreffen und die diesen nicht bereits offenkundig bekannt sind, so teilt es diese der zuständigen Landesbehörde mit.
Rz. 5
Ermittlungshandlungen des BZSt auf Grundlage des § 208a Abs. 2 AO bedürfen, ebenso wie Handlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO, eines konkreten Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig und führen zur Rechtswidrigkeit der ergriffenen Maßnahmen, was auch die zu deren Durchsetzung ergriffenen Zwangsmaßnahmen umfasst.
Ein konkreter Anlass für Vorfeldermittlungen liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen, wozu auch konkrete Erfahrungen für bestimmte Gebiete zählen, die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss das BZSt im Vorwege von Ermittlungshandlungen dokumentieren, dass es sein Ermessen erkannt und ausgeübt hat. Ausreichend dafür ist die Dokumentation der Auseinandersetzung mit dem konkreten Anlass, beispielsweise durch entsprechende Prognosen über die Aufdeckung steuerlich erheblicher Sachverhalte oder eine vorweggenommene Beweiswürdigung möglicher Steuerstraftaten.
3.1 Reichweite der Ermittlungsbefugnisse (Abs. 2 S. 1)
Rz. 6
Mit dem Verweis in § 208a Abs. 2 S. 1 AO auf die Ermittlungsbefugnisse der FÄ und Hauptzollämter kann sich das BZSt der Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung nach der AO bedienen. Anwendbar sind daher namentlich die Vorschriften über den Untersuchungsgrundsatz, die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten der Beteiligten und anderer Personen sowie die Inanspruchnahme von Amtshilfe. Über § 117 AO gilt dies auch für Ermittlungshandlungen über Amtshilfeersuchen ins Ausland. Vorfeldermittlungen nach § 208a AO sind keine Außenprüfung, sodass die §§ 193ff. AO nicht anwendbar sind, was aber Ermittlungshandlungen im Außendienst, wie sie auch ein FA vornehmen kann, nicht ausschließt.
Der Umfang der Ermittlungsbefugnisse des BZSt im Bereich der Vorfeldermittlungen deckt sich im Ergebnis mit demjenigen der Steuerfahndung und den Behörden des Zollfahndungsdienstes nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Folglich ist auch das BZSt bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen berechtigt, Sammelauskunftsersuchen zu stellen.
Der Verweis in § 208a Abs. 2 S. 1 AO allein auf die Ermittlungsbefugnisse der FÄ und Hauptzollämter ist jedoch insoweit enger, als die Ermittlungsbefugnisse der Steuerfahndung und der Behörden des Zollfahndungsdienstes nach § 208 Abs. 1 S. 2 AO, als dass § 208a AO, anders als § 208 Abs. 1 S. 2 AO, nicht zusätzlich auf die Befugnisse nach § 404 S. 2 AO verweist. Dies liegt darin begründet, dass die Steuerfahndung und die Behörden des Zollfahndungsdienstes, anders als das BZSt, neben steuerlichen Ermittlungen auch strafrechtliche Ermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO durchführen, weshalb für diese Behörden der Verweis über § 404 AO auf strafprozessuale Ermittlungskompetenzen geboten ist.
3.2 Erweiterte Kompetenzen (Abs. 2 S. 2)
Rz. 7
Wortgleich wie in § 208 Abs. 1 S. 3 AO modifiziert § 208a Abs. 2 S. 2 AO einige Verfahrenshandlungen der AO für die Vorfeldermittlungen durch das BZSt. So kann insbesondere ein Dritter ohne vorherige Befragung des Beteiligten um Auskunft ersucht werden und Auskünfte können ohne schriftliche Anforderung verlangt werden. Durch den Verweis auf § 200 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 und 2 AO sind die dort geregelten Mitwirkungspflichten, die ansonsten nur im Rahmen einer Außenprüfung gelten, auch bei Vorfeldermittlungen anwendbar. Diese Auflistung der Erleichterungen von Ermittlungshandlungen ist abs...