Rz. 46
Nach § 354 Abs. 1b S. 1 AO kann auf die Einlegung eines Einspruchs bereits vor Erlass des Verwaltungsakts verzichtet werden, soweit durch den Verwaltungsakt eine Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag i. S. des § 2 AO zutreffend umgesetzt wird.
Rz. 47
Der Teilverzicht auf den Einspruch setzt nach § 354 Abs. 1b S. 1 AO voraus, dass durch den betroffenen Verwaltungsakt eine "Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag im Sinne des § 2 AO" zutreffend umgesetzt wird. Eine Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch stehen am Ende der auch in § 354 Abs. 1a AO genannten entsprechenden internationalen Streitbeilegungsverfahren (s. zu diesen Rz. 23).
Rz. 48
Auf die Einlegung eines Einspruchs kann nach § 354 Abs. 1b AO "bereits vor Erlass des Verwaltungsakts" verzichtet werden.
Alle von § 354 Abs. 1a und 1b AO erfassten Streitbeilegungsverfahren finden ausschließlich auf Antrag eines Stpfl. statt. Bevor es zu der Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs durch den Erlass von Verwaltungsakten in nationales Recht kommt, wird der Stpfl. über deren Inhalt unterrichtet. Nur wenn er dem Ergebnis zustimmt, findet die Umsetzung durch den Erlass entsprechender Verwaltungsakte statt.
Um zu vermeiden, dass der Stpfl. es in der Hand hat, durch gezielte Anfechtung einzelner Verwaltungsakte eine Form von "Rosinenpickerei" zu betreiben, steht die Umsetzung aller im Rahmen dieser Streitbeilegungsverfahren getroffenen Vereinbarungen oder Schiedssprüche unter dem Vorbehalt, dass der Stpfl. vor Bekanntgabe des diese umsetzenden Bescheids gegenüber der Finanzbehörde insoweit auf einen Rechtsbehelf verzichtet. Zu diesem Zweck regelt § 354 Abs. 1b AO die Zulässigkeit eines Einspruchsverzichts in diesen Fällen abweichend von § 354 Abs. 1 AO bereits vor dem Erlass eines Verwaltungsakts durch § 354 Abs. 1b AO ausdrücklich und schreibt die bereits bisher praktizierte Verfahrensweise gesetzlich fest.
Rz. 49
Nach § 354 Abs. 1b S. 1 AO kann auf die Einlegung eines Einspruchs verzichtet werden, "soweit durch den Verwaltungsakt eine Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag i. S. des § 2 AO zutreffend umgesetzt wird". Die Wirksamkeit des Teilverzichts auf den Einspruch setzt damit voraus, dass die zwischenstaatliche Vereinbarung bzw. der Schiedsspruch zutreffend umgesetzt sind. Fehlt es hieran, kann der Stpfl. mit einem Einspruch gegen den die unzutreffende Umsetzung enthaltenden Verwaltungsakt vorgehen.
Rz. 50
Nach § 354 Abs. 1b S. 2 AO bleibt § 89a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO unberührt.
Danach unterzeichnet die nach § 89a Abs. 1 S. 1 AO zuständige Behörde eine Vorabverständigungsvereinbarung mit dem anderen Vertragsstaat im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesfinanzbehörde nur, "wenn die Vereinbarung mindestens unter der Bedingung steht, dass der Antragsteller im Geltungsbereich dieses Gesetzes auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Steuerbescheide verzichtet, soweit diese die Ergebnisse der Vorabverständigungsvereinbarung für den bestimmten Geltungszeitraum zutreffend umsetzen (Rechtsbehelfsverzicht)". Der Rechtsbehelfsverzicht des Antragstellers hat nach § 89a Abs. 3 S. 3 AO mit gesondertem Schreiben schriftlich oder zur Niederschrift gegenüber der nach Abs. 1 S. 1 zuständigen Behörde zu erfolgen.
Nach der Gesetzesbegründung soll § 89a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO gegenüber der Regelung des § 354 Abs. 1b AO als lex specialis vorrangig sein und § 354 Abs. 1b S. 2 AO dies lediglich klarstellen. Allerdings enthält § 89a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO eine Anordnung an die Finanzbehörde im Hinblick auf die Unterzeichnung der zwischenstaatlichen Vereinbarung, während § 354 Abs. 1b AO dem Stpfl. erlaubt, bereits vor Erlass eines Verwaltungsakts teilweise auf seinen Einspruch zu verzichten. Die beiden Regelung stehen also m. E. gar nicht in einer Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich.
Rz. 51–54 einstweilen frei