Rz. 23
Das FG hat erforderlichenfalls gem. § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 293 ZPO auch Feststellungen zum Bestehen und zum Inhalt ausländischen Rechts zu treffen. Dies ist keine Pflicht der Beteiligten. Die Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts ist allerdings klar von der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts mit Auslandsberührung, d. h. von der Pflicht zur Ermittlung der jeweiligen Tatsachen nach § 76 Abs. 1 S. 1 FGO zu unterscheiden. Auch wenn die Feststellungen zum ausländischen Recht nach der Rechtsprechung des BFH revisionsrechtlich wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln sind, bleiben die ausländischen Rechtsnormen für den deutschen Richter Rechtssätze und sind keine Tatsachen. Eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Feststellungslast ist in diesem Bereich daher nicht möglich.
Rz. 24
Das FG ermittelt das ausländische Recht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Diese Ermittlungspflicht umfasst auch die ausländische Rechtspraxis, wie sie in der Rechtsprechung der Gerichte und der Lehre des betreffenden Landes zum Ausdruck kommt. Die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht bestimmen sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Grundsätzlich können an die Ermittlungspflicht umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder das anzuwendende Recht im Vergleich zum eigenen ist. Gleiches kann gelten, wenn die Beteiligten die ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vortragen. Bloße Komplexität des ausländischen Rechts entbindet das Gericht nicht von der Ermittlungspflicht.
Rz. 25
Die Feststellungen zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts sind für den BFH gem. § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 560 ZPO grundsätzlich bindend. Die Revision kann danach i. d. R. nicht auf die Verletzung der Ermittlungspflicht zum ausländischen Recht gestützt werden, weil das ausländische Recht kein Bundesrecht ist und danach das finanzgerichtliche Urteil nicht nach § 118 Abs. 1 S. 1 FGO auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Allerdings soll nach der neueren Rechtsprechung des BFH eine Bindungswirkung entfallen, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde Materie beruhen. In diesem Fall soll ein materieller Mangel der Vorentscheidung vorliegen. Des Weiteren soll der BFH aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge "in gewissen Grenzen" die Frage nachprüfen können, ob das FG bei der Ermittlung des ausländischen Rechts gegen seine prozessrechtliche Ermittlungspflicht verstoßen hat. Danach steht es letztlich dem BFH frei darüber zu entscheiden, ob er die finanzgerichtlichen Feststellungen zum ausländischen Recht für ausreichend erachtet, er selbst ausländisches Recht ermittelt und anwendet oder ob er die Sache an das FG zurückverweist. Die Grenzen zwischen der Prüfung revisiblen Rechts und irrevisiblen Rechts verschwimmen damit. M. E. ist die finanzgerichtliche Entscheidung durch den BFH nur darauf zu prüfen, ob dem FG das ausländische Recht gänzlich unbekannt war oder ob das FG seine Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts ermessensfehlerhaft verletzt hat. Danach kann im Revisionsverfahren überprüft werden, ob das FG sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, ob die Ermittlung der Rechtsnormen und ihres Inhalts verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob das FG bei seinen Ermittlungen die Ermessensgrenzen sowie die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze beachtet hat. Dabei darf auch geprüft werden, ob das FG die sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat.