Hat der Steuerpflichtige das zur Einkünfteerzielung dienende Objekt unentgeltlich erworben, ist als Anschaffungszeitpunkt – und damit Beginn der Zehnjahresfrist -

  • nicht der Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs,
  • sondern die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger

maßgebend (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).

Wird daher ein unentgeltlich erworbenes Grundstück veräußert, ist zur Berechnung der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auf die Anschaffung des Rechtsvorgängers abzustellen.

 

Beispiel

A erwirbt mit notariellem Vertrag vom 3.5.2012 ein unbebautes Grundstück (Bauland), die Anschaffungskosten (AK) betragen insgesamt 120.000 EUR. Er überträgt das Grundstück zum 1.1.2020 auf seinen Sohn B, der darauf ein Wohnhaus zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken errichten will. Hierzu kommt es jedoch nicht, da B sich aus beruflichen Gründen räumlich verändern muss. Er veräußert das Grundstück zum 1.1.2024 (Abschluss des notariellen Vertrags: 28.12.2023) für 180.000 EUR.

Lösung: Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von A auf B zum 1.1.2020 hat nicht zu einer Anschaffung i.S.d. § 23 EStG geführt; vielmehr ist B die Anschaffung des Grundstücks durch den Rechtsvorgänger A zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).

Die Veräußerung des Grundstücks durch B mit Notarvertrag v. 28.12.2023 (bei Berechnung der Veräußerungsfrist ist jeweils auf das obligatorische Rechtsgeschäft abzustellen[1]) erfolgte außerhalb der durch die Anschaffung des Rechtsvorgängers am 3.5.2012 beginnende zehnjährige Veräußerungsfrist und führt somit nicht zur Steuerpflicht nach § 23 EStG.

  • Auch bei Veräußerung eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbenen Wirtschaftsguts ist bei der Berechnung der Veräußerungsfrist von dem Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs durch den Rechtsvorgänger auszugehen[2].
  • Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch vor, wenn i.R.d. Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein dingliches Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherten Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden[3].

Ausschluss von Gestaltungsmissbrauch: Bei einer unentgeltlichen Übertragung ist auch die Annahme von Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ausgeschlossen. Denn die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und stellt daher – ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung – grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO dar[4].

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