Unentgeltlich und teilentgeltlich erworbene, entnommene und eingelegte Grundstücke
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Werden zum Privatvermögen (PV) gehörende Grundstücke (unbebaute oder vermietete bebaute Grundstücke), die entweder unentgeltlich oder teilentgeltlich erworben wurden, innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 EStG veräußert, sind bei Ermittlung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns Besonderheiten zu beachten. Entsprechendes gilt, wenn ein zum Betriebsvermögen (BV) gehörendes Grundstück entnommen und nachfolgend veräußert wird bzw. ein zuvor in das BV eingelegtes Grundstück entnommen und nachfolgend veräußert wird. Die sich bei den vorstehend beschriebenen Sachverhalten ergebenden möglichen Rechtsfolgen werden nachfolgend anhand von – aus Vereinfachungsgründen jeweils unbebaute Grundstücke betreffenden – Beispielen erläutert.
1. Unentgeltlicher Erwerb
Hat der Steuerpflichtige das zur Einkünfteerzielung dienende Objekt unentgeltlich erworben, ist als Anschaffungszeitpunkt – und damit Beginn der Zehnjahresfrist -
- nicht der Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs,
- sondern die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger
maßgebend (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).
Wird daher ein unentgeltlich erworbenes Grundstück veräußert, ist zur Berechnung der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auf die Anschaffung des Rechtsvorgängers abzustellen.
Beispiel
A erwirbt mit notariellem Vertrag vom 3.5.2012 ein unbebautes Grundstück (Bauland), die Anschaffungskosten (AK) betragen insgesamt 120.000 EUR. Er überträgt das Grundstück zum 1.1.2020 auf seinen Sohn B, der darauf ein Wohnhaus zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken errichten will. Hierzu kommt es jedoch nicht, da B sich aus beruflichen Gründen räumlich verändern muss. Er veräußert das Grundstück zum 1.1.2024 (Abschluss des notariellen Vertrags: 28.12.2023) für 180.000 EUR.
Lösung: Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von A auf B zum 1.1.2020 hat nicht zu einer Anschaffung i.S.d. § 23 EStG geführt; vielmehr ist B die Anschaffung des Grundstücks durch den Rechtsvorgänger A zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).
Die Veräußerung des Grundstücks durch B mit Notarvertrag v. 28.12.2023 (bei Berechnung der Veräußerungsfrist ist jeweils auf das obligatorische Rechtsgeschäft abzustellen) erfolgte außerhalb der durch die Anschaffung des Rechtsvorgängers am 3.5.2012 beginnende zehnjährige Veräußerungsfrist und führt somit nicht zur Steuerpflicht nach § 23 EStG.
- Auch bei Veräußerung eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbenen Wirtschaftsguts ist bei der Berechnung der Veräußerungsfrist von dem Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs durch den Rechtsvorgänger auszugehen.
- Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch vor, wenn i.R.d. Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein dingliches Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherten Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden.
Ausschluss von Gestaltungsmissbrauch: Bei einer unentgeltlichen Übertragung ist auch die Annahme von Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ausgeschlossen. Denn die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und stellt daher – ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung – grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO dar.
2. Teilentgeltlicher Erwerb
Bei teilentgeltlicher Übertragung ist zwischen der Übertragung
- des unentgeltlichen und
- des entgeltlichen
Teils zu unterscheiden. Denn hier gilt die sog. Trennungstheorie.
Veräußert der teilentgeltliche Erwerber das Grundstück, kann sich bei ihm ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils ergeben. Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teils ist wiederum § 23 Abs. 1 S. 3 EStG zu beachten, d.h. hier greift § 23 EStG ebenfalls, wenn die Veräußerung innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung durch den Rechtsvorgänger erfolgt.
Die teilentgeltliche Übertragung kann ferner beim Übertragenden einen nach § 23 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auslösen.
Beispiel
C ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er mit Notarvertrag vom 3.5.2016 für 80.000 EUR angeschafft hat. Er überträgt das Grundstück mit Notarvertrag vom 18.2.2020 auf seinen Sohn D. Zu diesem Zeitpunkt hat das Grundstück einen Verkehrswert von 100.000 EUR. D verpflichtet sich im Übertragungsvertrag, seinen Bruder E mit 50.000 EUR auszuzahlen. D veräußert das Grund...