Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 41
In der Praxis haben die Gutachterausschüsse bislang ganz überwiegend keine Notwendigkeit gesehen, sich an der Terminologie des Bewertungsgesetzes zu orientieren. Dies erscheint aus der Sicht der Immobilienwertermittlungsverordnung nicht geboten. Das führt dazu, dass der Gutachterausschuss Liegenschaftszinssätze auch für solche Grundstückstypen bildet, die mit der Definition der Grundstücksarten des Bewertungsgesetzes nicht übereinstimmen. In diesen Fällen muss entschieden werden, ob derartige Liegenschaftszinssätze des Gutachterausschusses bei der steuerlichen Bewertung herangezogen werden können.
a) Grundstücke mit ungleicher vertraglicher Nutzung
Rz. 42
Diese vorstehende Problematik kann leicht an Grundstücken verdeutlicht werden, die häufig im Innenstadtbereich errichtet worden sind und im Erdgeschoss über Ladengeschäfte und in den darüber liegenden Geschossen über Wohnungen verfügen.
Rz. 43
Beispiel
Im Innenstadtbereich befindet sich eine Immobilie mit einem Ladenlokal im Erdgeschoss. Das Ladenlokal wird wegen der guten Geschäftslage zu einer Miete von 2 250 EUR bei einer Nutzfläche von 90 m[2] vermietet. In den oberen Geschossen befinden sich mehrere Wohnungen, die jedoch nur zu einer relativ niedrigen Miete von insgesamt 2 000 EUR bei einer Wohnfläche von insgesamt 400 m[2] vermietet werden.
Rz. 44
Damit ergeben sich folgende Verhältnisse:
|
Wohnnutzung |
Gewerbliche Nutzung, Ladenlokal |
Fläche |
400 m[2] |
90 m[2] |
Verhältnis der Flächen |
81,63 % |
18,37 % |
Miete |
2 000 EUR |
2 250 EUR |
Verhältnis der Mieten |
47,06 % |
52,94 % |
Rz. 45
Nach der gesetzlichen Definition des § 181 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BewG gehört das zu bewertende Grundstück bei der steuerlichen Bewertung zwingend zu der Grundstücksart Mietwohngrundstück, weil bei der Bestimmung der Grundstücksart allein das Wohn-/Nutzflächenverhältnis maßgebend ist (vgl. § 181 Abs. 3 BewG). Da nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen die Wohnnutzung über 80 % liegt, handelt es sich um ein Mietwohngrundstück.
Rz. 46
Dennoch kann der vom örtlichen Gutachterausschuss ausgewiesene Liegenschaftszinssatz für Mietwohngrundstücke in dem o.g. Beispielsfall regelmäßig nicht angewandt werden. Der örtliche Gutachterausschuss wird bei der Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes im Allgemeinen den einzelnen Grundstückstypen einen Liegenschaftszinssatz entsprechend dem Verhältnis der Erträge für Wohn- bzw. Gewerbezwecke zuordnen. Somit wird der Gutachterausschuss bei dem oben genannten Grundstück davon ausgehen, dass der Liegenschaftszinssatz für ein gemischt genutztes Grundstück mit einer gewerblichen Nutzung von mehr als 50 % anzusetzen ist. Deshalb weist der Gutachterausschuss den Liegenschaftszinssatz für das zu bewertende Objekt dem Grundstückstyp "gemischt genutztes Grundstücke" zu. Damit wird deutlich, dass die im Bewertungsgesetz definierte Grundstücksart Mietwohngrundstück keineswegs zwingend mit den Begrifflichkeiten übereinstimmt, die von Gutachterausschuss verwandt werden.
Rz. 47
Bei dem oben genannten Beispiel liegt es auf der Hand, dass der "geeignete Liegenschaftszinssatz" des Gutachterausschusses iS des § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG für das zu bewertende "Mietwohngrundstück iS des § 181 Abs. 3 BewG" zwar vorliegt und eindeutig feststeht, jedoch in der Veröffentlichung des Gutachterausschusses für den Grundstückstyp "gemischt genutztes Grundstück mit einer gewerblichen Nutzung von mehr als 50 %" abzulesen ist.
Rz. 48
Die rechnerische Plausibilität des "passenden" Liegenschaftszinssatzes des Gutachterausschusses erscheint unzweifelhaft. Die rechtliche Zulässigkeit ist mE ebenfalls nicht bedenklich, weil nach § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG der "geeignete" Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschusses zu Grunde gelegt werden muss. Aus diesem Grund erscheint es sogar zwingend, bei der Bewertung des oben genannten Mietwohngrundstücks (§ 181 Abs. 3 BewG) den Liegenschaftszinssatz zu Grunde zu legen, den der Gutachterausschuss für gemischt genutzte Grundstücke ausgewiesen hat.
Rz. 49– 50
Einstweilen frei.
b) Analyse des jeweiligen Grundstücksmarktberichts erforderlich
Rz. 51
Dennoch dürfte die vorstehend genannte Lösung in der Bewertungspraxis der Finanzämter mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein. Einerseits muss das Finanzamt dem Steuerzahler plausibel erklären, dass die Grundstücksarten des Bewertungsgesetzes nicht mit den Begrifflichkeiten übereinstimmen, die der Gutachterausschuss bei der Unterscheidung der Grundstückstypen verwendet. Andererseits setzt eine entsprechende Differenzierung der Begrifflichkeiten Grundstücksart/Grundstückstyp eine hinreich...