Rz. 261
§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG verlangt, dass der Erblasser eine "Vermögensmasse" (dazu auch Rz. 54 ff.) gebildet hat. Auch wenn es sich um eine Vermögensmasse ausländischen Rechts handeln muss, so ist doch der gesetzlich normierte Begriff der "Vermögensmasse" nach deutschem Recht zu verstehen.
Eine Vermögensmasse liegt vor, wenn ein oder mehrere Vermögensgegenstände wirtschaftlich aus dem Vermögen des einen ausgeschieden sind, ohne wirtschaftlich im Vermögen eines anderen angekommen zu sein. Ein Zweckvermögen als Unterfall einer Vermögensmasse ist durch die dauernde Bindung einer Vermögensmasse an einem dem rechtlichen Eigentümer fremden Zweck charakterisiert. Sie muss den Eigentümer hindern, das Vermögen für seine eigenen Zwecke zu verwenden, so dass ihm im wirtschaftlichen Sinn die Stellung eines Eigentümers genommen und nur die Stellung eines Treuhänders oder Vermögensverwalters zugewiesen ist. Hinzukommen muss, dass die tatsächliche Handhabung der Bindung entspricht.
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vermögensmasse (erbschaft-)steuerrechtlich relevant sein kann, die kein Zweckvermögen ist, braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter verfolgt zu werden. Denn hier geht es um Vermögensmassen, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, so dass es sich immer um Zweckvermögen handeln wird. Außerdem kommt es in beiden Fällen auf die wirtschaftliche Verselbständigung der Vermögensgegenstände an. Deshalb ist entscheidend, wem sie wirtschaftlich zuzurechnen sind.
Rz. 262
Anders als bei einem Treuhandverhältnis gibt es keine natürliche oder juristische Person, bei der das möglich wäre. Aber einen wirtschaftlichen Eigentümer der Vermögensgegenstände gibt es dessen ungeachtet, nämlich das Steuersubjekt Vermögensmasse. Denn ihr steht das Ergebnis der Vermögensverwaltung zu, da sie, vertreten durch ihren Geschäftsführer (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO), darüber verfügen kann, wenn auch gebunden durch einen von ihrem Errichter vorgegebenen Zweck. Durch die ausdrücklich oder stillschweigend getroffene Vereinbarung, das Ergebnis der Verwaltung der Vermögensmasse in einer bestimmten Weise zu verwenden, und zwar abweichend von § 903 BGB nicht für sich selbst, sind die Eigentümerrechte des Verwalters auf Dauer ausgeschlossen, und zwar zugunsten der Vermögensmasse, so dass sich der Verwalter und die Vermögensmasse steuerrechtlich insoweit als fremde Dritte gegenüberstehen. Deshalb gilt nicht die Regelzurechnung nach § 39 Abs. 1 AO, sondern die davon abweichende Zurechnung § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zugunsten der Vermögensmasse.
Nach deutschem Recht kann eine wirtschaftliche Verselbständigung von Vermögensgegenständen als Steuersubjekt "Vermögensmasse" nur eintreten, wenn die dinglichen Befugnisse des zivilrechtlichen Eigentümers oder Rechtsinhabers schuldrechtlich so beschränkt sind, dass er sein wirtschaftliches Eigentum verliert. Besteht der Zweck der Vermögensmasse darin, dass der Eigentümer das Vermögen für Rechnung anderer verwaltet, müssen die Beschränkungen dahin gehen, dass die anderen auf das Vermögen und seine Erträge keinen Anspruch haben, sondern nur eine Anwartschaft oder Erwerbschance, weil der Verwalter nach Ermessen darüber entscheidet, ob, wann und was er einem Begünstigten zuwendet.
Rz. 263
Außerdem muss die Widmung des Vermögens auf Dauer angelegt sein. Bei einer Vermögensmasse ausländischen Rechts muss die Bindung wegen der Gleichsetzung mit einer Stiftung über den für die Bildung einer Stiftung erforderlichen Zeitraum von mindestens zehn Jahren bestehen (s. Rz. 240). Deshalb entsteht keine Vermögensmasse, wenn der "Errichter" die Zweckwidmung jederzeit wieder aufheben und das Vermögen herausverlangen kann. Dann bleibt das Vermögen weiterhin Eigenvermögen des "Errichters". Das Gleiche gilt, wenn ein anderer jederzeit auf das Vermögen oder seine Erträge zugreifen und sie für sich verwenden kann oder wenn er jederzeit vom Eigentümer verlangen kann, dass sie auf ihn übertragen werden.