Rz. 325
Dem sich bei Aufhebung/Auflösung einer/s Stiftung/Vereins ereignenden Erwerb steht nicht nur der von § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 1 ErbStG, sondern auch der in Satz 2 Alt. 2 umschriebene Erwerb gleich. Die danach erfassten Erwerbsvorgänge während des Bestehens der Vermögensmasse geschehen, in Abgrenzung zu den Alt. 1 unterliegenden Fällen (s. Rz. 323), vor Auflösung der Vermögensmasse. Steuerbar nach Alt. 2 sind somit sämtliche Übertragungen aus der Vermögensmasse bis zu dem Moment, in dem sich ihr ursprünglicher Zweck der Bindung von Vermögen hin zur Verteilung des Vermögens ändert.
Rz. 326
Entsprechende Vermögensverschiebungen bei Stiftungen oder Vereinen vor ihrer Liquidation werden allenfalls unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG subsummiert (s. Rz. 330 ff.). Nahezu voraussetzungslos greift die spezielle Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG weit darüber hinaus, wenn man als Zwischenberechtigte alle Personen bezeichnet, die im Zeitraum zwischen Errichtung und Auflösung aus der Vermögensmasse bereichert werden. So durfte man den BFH verstehen, der laufende Zahlungen aus der Substanz und den Erträgen eines amerikanischen Trusts, dessen Vermögen dereinst den Kindern der Zahlungsempfängerin zufallen sollte, als tatbestandsmäßige Schenkung behandelte. Doch dies schränkt er inzwischen ein; er seziert das Wort: "Zwischenberechtigte", hebt den Begriffsteil "...berechtigte" hervor und konkretisiert nunmehr, Zwischenberechtigter i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG könne nur sein, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über Rechte an dem Vermögen und/oder den Erträgen der Vermögensmasse ausländischen Rechts verfügt. Der Zuwendungsempfänger, der keinen Anspruch auf Zuwendungen besitzt, gehört nicht dazu.
Rz. 327
Mit § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG wurde, so die Gesetzesbegründung, zwar nur klargestellt, dass auch für den Fall bestehender Zwischennutzungsrechte am Vermögen der Vermögensmasse ein Erwerb der Zwischenberechtigten von der Vermögensmasse vorliege. Der BFH behauptet jedoch, der zunächst nur auf die Auskehrung bei Auflösung der Vermögensmasse gerichtete Tatbestand des Satzes 2 (Alt. 1) habe auf Zwischennutzungsrechte am Vermögen der Vermögensmasse ausgedehnt werden sollen. Ungeachtet dieses Dissenses hat sich die Finanzverwaltung die Interpretation des BFH zu eigen gemacht. Für die künftige Praxis wird so das notwendige Zwischennutzungsrecht zu einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG. Bedarf es hierzu eines "rechtlich verfestigten Titels am Vermögen... nach deutschen Rechtsvorstellungen in Gestalt dinglichen Rechts oder schuldrechtlicher Ansprüche", kommt es stets darauf an, ob der Zuwendungsempfänger nach den maßgebenden Bedingungen tatsächlich Anspruch auf das hatte, was er vor ihrer Auflösung aus der Vermögensmasse erhielt. Dies wird nun auch bei vorzeitigen Zahlungen an Endberechtigte zu prüfen sein. Gleiches gilt bei Ausschüttungen eines nach dem Tod des Gründers fortbestehenden US-Trusts. – Zum Steuerentstehungszeitpunkt s. Rz. 309.
Rz. 328
Sind Ansprüche potenzieller Begünstigter auf Leistungen aus der ausländischen Vermögensmasse ausgeschlossen, greift § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG ins Leere. Tatsächlich verwirklichte Erwerbe insoweit anspruchsloser und daher bereicherter Erwerber unterliegen grundsätzlich dem Auffangtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (s. Rz. 2), zumal üblicherweise freigebig handelt, wer in Kenntnis seiner fehlenden Leistungspflicht einen anderen bewusst unentgeltlich bevorteilt (s. auch Rz. 6). – Doch inzwischen führt auch dieser Weg in die schenkungsteuerliche Sackgasse (s. nachfolgend Rz. 330 ff.).
Rz. 329
Einstweilen frei.