a) Tatbestand
Rz. 56
Anders als in den in § 76 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 BewG geregelten Fällen (Anm. 40 ff.) geht es hier um
Gruppen von Mietwohngrundstücken, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken, bei denen eine Ermittlung der Jahresrohmiete in aller Regel möglich ist und die deshalb grundsätzlich im Ertragswertverfahren bewertet werden (§ 76 Abs. 1 Nr. 1–3 BewG).
Bei den von § 76 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG erfassten Grundstücke ist aber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles eine Ermittlung der Jahresrohmiete bzw. Schätzung der üblichen Miete nicht möglich.
Dies kann der Fall sein bei eigengenutzten, teils gewerblichen und teils Wohnzwecken dienenden Grundstücken, bei denen nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare, in derselben Region liegende vermietete Objekte nicht existieren. Insbesondere ist dies dort der Fall, wo es sich um ein aufwändig gestaltetes Gebäude handelt, wie in dem Fall, der der Entscheidung des BFH vom 6.7.2011 zugrunde lag:
Der Kläger errichtete auf einem ca. 5 000 qm großen Grundstück ein Gebäude mit drei Wohnungen, einem Gästeappartement und einer Einliegerwohnung. Die Gesamtwohnfläche beträgt ca. 1 012 qm, die Hauptwohnung verfügt über eine Wohnfläche von ca. 660 qm. Das gesamte Gebäude wird vom Kläger zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Im Kellergeschoss befinden sich u.a. eine Schwimmhalle und eine Tiefgarage mit 14 PKW-Stellplätzen. Das Finanzamt bewertete das Grundstück als Mietwohngrundstück im Sachwertverfahren. Die Klage, mit der der Kläger die Bewertung im Ertragswertverfahren begehrte, blieb erfolglos.
Solche Ausnahmefälle kommen des Weiteren bei vermieteten Geschäftsgrundstücken in Betracht, bei denen das Grundstück zusammen mit dem Betriebsinventar gegen einen Gesamtbetrag vermietet ist und die einheitlich bemessene Gesamtmiete eine Aufteilung in das auf die Benutzung des Grundstücks entfallende Entgelt und in das auf die Überlassung des Inventars entfallende Entgelt auch im Wege der Schätzung nicht zulässt.
b) Einzelfälle
Rz. 57
In dem der BFH-Entscheidung v. 24.7.1985 zugrunde liegenden Fall ging es um die Bewertung eines gemischt genutzten Grundstücks. Es handelte sich um ein stark verwinkelt und verschachtelt gebautes Grundstück mit einer Fläche von rund 1 050 qm, auf dem eine größere Anzahl von einzelnen Gebäuden und Anbauten unterschiedlicher Baujahre, Bauart und Bauausführung sowie unterschiedlicher Verwendungszwecke stand. Das Vorderhaus war 1956, das sog. Hinterhaus in der Zeit von 1870 bis 1947 errichtet worden.
Ein Teil war für gewerbliche Zwecke fremdvermietet, ein Teil eigengenutzt. Das Finanzamt ermittelte den Einheitswert für dieses Grundstück im Sachwertverfahren.
Das FG stellte den Einheitswert unter Anwendung des Ertragswertverfahrens fest. Der BFH ging in seinem zurückverweisenden Urteil von seiner Rechtsprechung aus, dass die Miete für die jeweilige Nutzungsart auch anhand vermieteter Grundstücke geschätzt werden könne, die nur jeweils eine der zu vergleichenden Nutzungsarten aufweisen. Dies setze aber voraus, dass innerhalb der Region vergleichbare Objekte vorhanden seien. Er teilte die Auffassung des FG nicht, dass das Fehlen der im Streitfall lediglich für Kontrollzwecke dienenden "üblichen Miete"die Anwendung des Sachwertverfahrens nicht rechtfertige. Denn die Prüfung, ob die – im Streitfall mit einem Autohaus – tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweiche, erfordere, eine Vergleichsmöglichkeit zu schaffen, um auszuschließen, dass jede beliebig vereinbarte Miete als Bewertungsgrundlage herangezogen werde. Das FG hätte deshalb dem Vorbringen des FA nachgehen müssen, dass vergleichbare Objekte nicht zur Verfügung stehen, oder auf eine entsprechende Ergänzung des Mietspiegels für gewerblich genutzte Räume vergleichbarer Art hinwirken müssen.
Ebenfalls über die Bewertung eines gemischt genutzten Grundstücks hatte das FG Rheinland-Pfalz in seinem rechtskräftigen Urteil v. 11.12.1991 zu entscheiden. Es handelte sich um ein in den Jahren 1985/1986 mit einem Kostenaufwand von 1,64 Mio. DM errichtetes zweigeschossiges Sparkassengebäude. Im Erdgeschoss befanden sich im Wesentlichen die Kassenhalle, das Zweigstellenleiterbüro und der Betriebsbereich, im Kellergeschoss Archivräume, Sozialräume und der Tresorraum. Das Obergeschoss beherbergte zwei fremdvermietete Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 145 qm. Das FG ging zutreffend davon aus, dass das Grundstück im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Wenn auch für die beiden Wohnungen Mietwerte vorlägen, reich...