Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 3
Das Sachwertverfahren ist nach § 182 Abs. 4 BewG bei den folgenden Grundstücksarten anzuwenden:
- Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser, wenn für diese Grundstücke kein Vergleichswert i.S.d. § 183 BewG vorliegt;
- Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete nach § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht ermitteln lässt, und die daher nicht im typisierten Ertragswertverfahren bewertet werden können;
- stets bei den sonstigen bebauten Grundstücken.
Vgl. bezüglich der Definition der Grundstücksarten die Kommentierung zu § 181 BewG.
Rz. 4
Bei Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäusern ist die Bewertung nach dem Sachwertverfahren davon abhängig, ob Vergleichswerte in Form von Vergleichspreisen oder Vergleichsfaktoren vorliegen, d.h. ob das vorrangige Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG anzuwenden ist. Sofern dies nicht der Fall ist, erfolgt die Bewertung dieser Grundstücksarten im nachrangigen Sachwertverfahren (Auffangverfahren). Sofern Vergleichswerte vom örtlichen Gutachterausschuss bereitgestellt werden, können diese z.B. dem jeweiligen Grundstücksmarktbericht entnommen werden.
Rz. 5
Die Bewertung der Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzten Grundstücke im Sachwertverfahren ist ebenfalls davon abhängig, ob das vorrangige Verfahren – in diesem Fall das Ertragsverfahren (§§ 184 ff. BewG) – anzuwenden ist. Nur wenn sich für diese Grundstücksarten keine übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermitteln lässt, kommt die Bewertung im nachrangigen Sachwertverfahren in Betracht (Auffangverfahren). Die übliche Miete kann ggf. aus dem örtlichen Mietspiegel, dem Grundstücksmarktbericht oder der tatsächlichen Miete vergleichbarer Grundstücke abgeleitet werden. Denkbar ist auch, die übliche Miete durch ein Mietgutachten nachzuweisen (R B 182 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019).
Rz. 5.1
In der Praxis stellt sich bei einzelnen Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken gelegentlich die Frage nach dem maßgeblichen Bewertungsverfahren. So kann u.E. beispielsweise bei einem Einkaufszentrum grds. davon ausgegangen werden, dass eine übliche Miete ermittelbar und in der Folge das Geschäftsgrundstück im Ertragswertverfahren zu bewerten ist. In besonderen ländlichen Regionen kann im Einzelfall aber auch das Sachwertverfahren in Betracht kommen, insbesondere wenn keine vergleichbaren Einkaufszentren in räumlicher Nähe vorhanden sind und sich die übliche Miete weder aus Vergleichsobjekten noch aus örtlichen Mietspiegeln (z.B. IHK-Mietspiegel) ermitteln lässt. Nicht ausreichend für die Anwendung des Sachwertverfahrens dürfte jedoch sein, wenn die Ermittlung der üblichen Miete lediglich problematisch erscheint. Bei Einkaufszentren kann es u.E. zudem sachgerecht sein, ausgehend von einer Gesamtbetrachtung des vorhandenen Branchen- und Mietermixes, die üblichen Mieten der einzelnen Gewerbe- bzw. Nutzungseinheiten in dem Einkaufszentrum aus einem Vergleich mit den jeweiligen lage- und branchenüblichen Mieten abzuleiten. In diesem Fall wäre es nicht erforderlich, dass eine übliche Miete für ein vergleichbares Einkaufszentrum als Gesamtobjekt ermittelt werden kann.
Rz. 5.2
Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 7.12.2020 entschieden, dass das Ertragswertverfahren und nicht das Sachwertverfahren heranzuziehen ist, wenn sich für ein gemischt genutztes Grundstück auf dem ortsüblichen Grundstücksmarkt sowohl für die Wohnflächen als auch für die Büros, die Läden und die an ein Hotel vermieteten Flächen jeweils eine übliche Miete ermitteln lässt. Im Urteilsfall ist das Grundstück mit einem Vorder-, Seiten-, und Rückgebäude bebaut. Das gemischt genutzte Grundstück mit Wohnungen, Büros, Läden und einem Hotel diente am Stichtag zu mehr als 50 % und zu nicht mehr als 80 % betrieblichen Zwecken. Die übliche Miete könne sich im Urteilsfall bspw. für Wohnfläche aus dem veröffentlichten qualifizierten Mietspiegel ergeben oder aus der Vielzahl der vermieteten Gewerbeflächen, also Flächen, die zur Nutzung als Büro, Laden bzw. Hotel vermietet sind, abgeleitet werden. Es ist aber nicht erforderlich, dass eine übliche Miete bereits ermittelt worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH sich der Rechtsauffassung anschließen wird.
Rz. 6
Bei den sonstigen bebauten Grundstücken ist dagegen das Sachwertverfahren die einzige Bewertungsmethode des BewG. Dies erscheint aus praktischer Sicht sinnvoll, da für diese Grundstücke (z.B. nicht gewerblich genutzte und eigenständige Garagengrundstücke, Clubhäuser, Vereinshäuser, Schützenhallen, Turnhallen, Jagdhütten) regelmäßig weder Vergleichswerte vorliegen noch übliche Mieten ermittelbar sind.
Rz. 6.1
Bezüglich der Einzelheiten zur Wahl der Bewertungsverfahren wird auf die Kommentierung zu § 182 BewG verwiesen.