Rz. 275
Diese Vorwegnahme des Nacherbfalls wird von § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG als Schenkung des Vorerben fingiert, insoweit § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG folgend und umkehrschließend durch § 7 Abs. 2 ErbStG bestätigt. Allerdings hätte es keiner Fiktion bedurft. Da der Vorerbe zur vorzeitigen Herausgabe der Vorerbschaft nicht verpflichtet ist, stellt sich die unentgeltliche Weiterübertragung des Nachlasses bzw. einzelner Nachlassgegenstände zivilrechtlich ohnehin als Schenkung und damit stets freigebige Zuwendung dar (s. auch Rz. 229).
Rz. 276
Daher ist es nicht zwingend anzunehmen, § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG verlange tatbestandlich keine Freigebigkeit des Vorerben. Die Vorschrift tritt gerade nicht alternativ, sondern für den Fall der Bereicherung eines Nacherben aus der Vorerbschaft eher ergänzend neben § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. So behandelte der BFH einst eine solche zu rd. 93 % unentgeltliche Grundstücksübertragung zwischen engen Angehörigen als gemischte Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; in Anbetracht des besonders deutlichen Missverhältnisses der Gegen-/Leistungen musste er sich zur Freigebigkeit der Schenkerin nicht äußern. Für dem Vorerben mögliche, dem Nacherben gegenüber relativ unwirksame, Schenkungen i.S.d. § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB wird zivilrechtlich zumindest die subjektive Erkennbarkeit der (teilweisen) Unentgeltlichkeit verlangt. Folglich ist auch zur Schenkungsteuerbarkeit teilunentgeltlicher Zuwendungen an den Nacherben das Bewusstsein des Vorerben um die Unentgeltlichkeit seiner Leistung unverzichtbar. § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG erlaubt die Erfassung gemischter Schenkungen daher nicht schon wegen ihrer objektiven Unentgeltlichkeit; der Wortlaut der Vorschrift rechtfertigt dies nicht. Gilt die Übertragung der Vorerbschaft oder eines hierzu gehörenden Vermögensgegenstands an den Nacherben als Schenkung des Vorerben, scheitert die gemischten Schenkungen eigene entgeltliche Verknüpfung mit Gegenleistungen von vornherein. Die dann konsequente Annahme wechselseitiger Schenkungen (s. Rz. 90) wäre sicherlich nicht gewünscht.
Rz. 277
Funktionell hat § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ohne § 7 Abs. 2 ErbStG keine eigenständige Bedeutung. Nur gemeinsam anwendbar beeinflussen beide Regelungen die Steuerberechnung,
- wenn ein Nacherbe durch einen Vorerben freigebig i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereichert wird,
- der Erwerb (auch) aus zur Vorerbschaft gehörendem Vermögen besteht
- und beantragt wird, (insoweit) das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen.
Diesem Antrag folgend ist die Steuerbemessungsgrundlage unter Anwendung der hiernach maßgebenden Steuerklasse und des davon abhängigen persönlichen Freibetrags zu ermitteln (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1, 16 ErbStG). Der Nachweis für die Zugehörigkeit des Erwerbs zur Vorerbschaft, womöglich auch für die Absicht der Vorwegnahme der Nacherbschaft, obliegt hierbei den Steuerpflichtigen. Auch wenn der Vorerbe darüber hinaus zeitgleich eigenes Vermögen überträgt, handelt es sich nicht um getrennt zu besteuernde Erwerbe von verschiedenen Personen, sondern um allein von ihm stammende, lediglich hins. der Steuerklasse differenziert zu erfassende Vermögensanfälle (§ 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG); insoweit ist ein Abzug des nach dem Verhältnis des Erwerbers zum Schenker maßgebenden Freibetrags abhängig vom Verbrauch des beantragten Freibetrags (§ 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG). Konsequent sind bei einer Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auch nur vom Vorerben angefallene Vorerwerbe einzubeziehen.
Rz. 278
Ohne Antrag spielt es keine Rolle, ob der Erwerb auch zur Vorerbschaft gehörendes Vermögen umfasst oder nicht. Allein maßgebend sind die nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Schenker maßgebende Steuerklasse und der hieraus folgende Freibetrag (§§ 15 Abs. 1, 16 ErbStG). Insb. im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Steuerschuldner (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) ist daher zu beachten, dass ein Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG die Höhe der Schenkungsteuer nur für den Antragsteller beeinflusst (§ 44 Abs. 2 Satz 3 AO).