Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 327
Aus der Miete, multipliziert mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vervielfältiger von 12,5 (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG), ergibt sich der Ausgangswert. Abweichend von der Einheitsbewertung 1964 ist der Vervielfältiger nicht nach der Nutzung, der regionalen Lage, dem Baualter und der Bauart unterteilt. Vielmehr gilt für alle Grundstücksnutzungen, ob in Ballungsräumen, im kleinstädtischen Bereich oder "auf dem Lande" ein einheitlicher Vervielfältiger von 12,5.
Zur Bestimmung des Vervielfältigers wird im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages Folgendes ausgeführt:
"Zur Ermittlung des Ertragswerts wird die rechnerisch ermittelte Jahresmiete mit dem Faktor 12 multipliziert. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vervielfältigers war, welcher Betrag bei anderen Anlageformen angelegt werden müßte, um einen entsprechenden Ertrag zu erhalten. Kauft jemand festverzinsliche Anleihen mit einem Jahreszins von 5 %, so muss er das 20fache des jährlichen Zinsertrags als Anlagekapital gleichstellen. Da aus der Nettokaltmiete noch die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten getragen werden müssen (die Finanzierungskosten werden über den Schuldenabzug ausgeglichen), muss die entsprechend niedrigere Rendite durch einen Abschlag vom Kapitalisierungsfaktor berücksichtigt werden. Zudem werden die Gebäude durch die Nutzung verbraucht; ihre Renditefähigkeit ist im Gegensatz zu Geldvermögen endlich, was bei der Festlegung des Faktors und des Altersabschlags Berücksichtigung finden muss. Hinzu kommt der bei derartigen Annäherungsrechnungen notwendige Abschlag für Bewertungsspannen und -ungenauigkeiten (im Wohn- und Nutzflächenverfahren des Koalitionsentwurfs 30 %) sowie ein Abschlag für die gegenüber dem Kapitalvermögen höhere Gemeinwohlbindung des Grundvermögens. Setzt man für Verwaltungs- und Instandhaltungsaufwand typisierend einen Betrag von 15 % der Nettokaltmiete, für die begrenzte Nutzungsfähigkeit einen Abschlag von 10 %, für Bewertungsrisiken von ebenfalls 10 % und für die Gemeinwohlbindung von 5 % an, also insgesamt 40 %, gelangte man zu einem Faktor von 12."
Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hatte für die Ertragsbewertung einen Vervielfältiger von 12 vorgeschlagen. Im Vermittlungsverfahren wurde hier nochmals nachgebessert, um ein höheres Wertniveau bei der Grundstücksbewertung zu erreichen. Der Vervielfältiger wurde auf 12,5 angehoben. Geht man von den unveränderten Abschlägen von 40 % im Bericht des Finanzausschusses aus, führt der Nettovervielfältiger von 12,5 zu einem Bruttovervielfältiger von 20,83, was einer Verzinsung von 4,8 entspricht.
Rz. 328
Bei dem Vervielfältiger handelt es sich um einen theoretischen Wert, der ausgehend von einer anderen Kapitalanlage, nämlich den festverzinslichen Wertpapieren, unter Berücksichtigung bestimmter Abschläge ermittelt worden ist. Wolf weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der zwar notwendigen, aber tatsächlich nicht vorgenommenen Differenzierung des Vervielfältigers ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen werden könnte, weil eine Pauschalierung und Typisierung erst dann zum Zuge kommen dürfe, wenn durch einfache gesetzgeberische Maßnahmen eine erforderliche Differenzierung nur schwer erreicht werden könnte. Dies wäre aber ohne weiteres möglich gewesen, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. Moench/Höll sehen in dem "Einheitsvervielfältiger" ebenfalls eine Novellierung der einzelnen Grundstücksgruppen, die vielleicht von den Befürwortern dieses Ertragswertverfahrens auch beabsichtigt war, getragen von dem Wunsch, damit nur ein bestimmtes Steueraufkommen durch die Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung von Grundbesitz zu erhalten. Auch Seer sieht in dem einheitlichen Vervielfältiger das "Hauptübel" für den Verstoß des jetzigen Ertragswertverfahrens gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Gesetzgeber nicht vorgenommene Differenzierung des Vervielfältigers lasse sich nicht mehr mit der angestrebten Vereinfachung des Bewertungsverfahrens rechtfertigen.
Rz. 329– 331
Einstweilen frei.
Rz. 332
Die Ursache für die vom BFH aufgezeigte verfassungswidrige Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren dürfte ihre wesentliche Grundlage in dem bisherigen Einheitsvervielfältiger von 12,5 haben, der dazu führt, dass die Grundstückswerte weit unter dem Verkehrswert liegen und – was der BFH besonders hervorhebt – eine erhebliche Streubreite um den Durchschnittswert aufweisen. Das BVerfG wendet sich in seinem Beschluss v. 7.11.2006 im Ergebnis gegen den einheitlichen Vervielfältiger und führt dazu aus:
„Auch der Befund, dass die Ergebnisse der Bewertung bebauter Grundstücke nach § 146 BewG zu einer großen Streubreite im Vergleich zum gemeinen Wert führen, folgt schon ohne Zahlenmaterial aus einer Analyse der Regelungskonzeption (...). Er ergibt sich bereits anhand eines Vergleichs der gesetzlichen Regelung mit den anerkannten Verfahren zur Verkehrswerter...