Schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen, Altersvorsorge-Eigenheimbetrag, Verfahrensfragen im BMF-Schreiben v. 5.10.2023
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Wilfried Apitz, StB
Die staatliche Förderung für den Aufbau einer zusätzlichen privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge besteht aus zwei Elementen: zum einen aus der progressionsunabhängigen Altersvorsorgezulage nach dem XI. Abschnitt des EStG und zum anderen aus dem Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG. Es muss dabei von Amts wegen geprüft werden, welche Förderung für den Steuerpflichtigen im Einzelfall günstiger ist (§ 10a Abs. 2 S. 3 EStG). Kommt das Finanzamt (FA) i.R.d. Veranlagung zu dem Ergebnis, dass der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG günstiger ist als die Altersvorsorgezulage, wird i.R.d. Einkommensteuer-Veranlagung der übersteigende Steuervorteil berücksichtigt. Durch das JStG 2022 sind verschiedene Rechtsänderungen in Kraft getreten, die die Finanzverwaltung veranlasst haben, die bisherigen BMF-Schreiben v. 21.12.2017, v. 17.2.2020 und v. 11.2.2022 (BMF v. 21.12.2017 – IV C 3 - S 2015/17/10001 :005 – DOK 2017/1067450, BStBl. I 2018, 93 = EStB 2018, 62 [Günther]; BMF v. 17.2.2020 – V C 3 - S 2220-a/19/10006 :001 – DOK 2020/0003261, BStBl. I 2020, 213 = EStB 2020, 96 [Günther] und BMF v. 11.2.2022 – IV C 3 - S 2015/22/10001 :001 – DOK 2022/0113436, BStBl. I 2022, 186 = EStB 2022, 96 [Günther]) vollständig neu zu fassen und die Gesetzesänderungen und aktuelle BFH-Rechtsprechung aufzunehmen (BMF v. 5.10.2023 – IV C 3 - S 2015/22/10001 :001 – DOK 2023/0928995, BStBl. I 2023, 1726 = EStB 2023, 431 [Apitz]). Teil I des zweigeteilten Beitrages (Apitz, EStB 2024, 182) hat sich mit den Neuerungen und Ergänzungen beschäftigt. Im vorliegenden Teil II wird insbesondere auf die schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen, den Altersvorsorge-Eigenheimbetrag und Tilgungsförderung für eine wohnungswirtschaftliche Verwendung sowie Verfahrensfragen eingegangen.
1. Schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen
a) Rückzahlung der Förderung
Umfang der Rückzahlungsansprüche: Liegt eine schädliche Verwendung von gefördertem Altersvorsorgevermögen vor, sind die darauf entfallenden während der Ansparphase gewährten Zulagen und die nach § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Steuerermäßigungen zurückzuzahlen (Rückzahlungsbetrag § 94 Abs. 1 EStG).
Kosten und Gebühren der schädlichen Verwendung: Der Anbieter darf Kosten und Gebühren, die durch die schädliche Verwendung entstehen (z.B. Kosten für die Vertragsbeendigung), nicht mit diesem Rückzahlungsbetrag verrechnen. Beachten Sie: Abschluss- und Vertriebskosten i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AltZertG sowie bis zur schädlichen Verwendung angefallene Kosten i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 AltZertG und Beitragsanteile zur Absicherung der verminderten Erwerbsfähigkeit oder der Hinterbliebenenabsicherung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AltZertG können dagegen vom Anbieter berücksichtigt werden, soweit sie auch angefallen wären, wenn die schädliche Verwendung nicht stattgefunden hätte.
b) Übertragung begünstigter Altersvorsorgeaufwendungen auf überlebenden Ehegatten/Lebenspartner
Voraussetzungen: Die Folgen der schädlichen Verwendung treten nicht ein, wenn die Ehegatten/Lebenspartner im Zeitpunkt des Todes des Zulageberechtigten
- nicht dauernd getrennt gelebt haben (§ 26 Abs. 1 EStG) und
- ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat oder
- ihren vor dem 1.1.2021 (Zeitpunkt, ab dem das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist) begründeten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und ihren Vertrag vor dem 23.6.2016 abgeschlossen hatten und
- das geförderte Altersvorsorgevermögen des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners zugunsten eines auf den Namen des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners lautenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag übertragen wird (§ 93 Abs. 1 S. 4 Buchst. c EStG).
Kapitalübertragung: Eine solche Übertragung kann z.B. durch Abtretung eines Auszahlungsanspruchs erfolgen. Der Anbieter des verstorbenen Zulageberechtigten hat sich vor der Kapitalübertragung durch eine Erklärung des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners bestätigen zu lassen, dass die Voraussetzungen für eine steuerunschädliche Übertragung (§ 26 Abs. 1 EStG und Wohnsitz EU/EWR oder im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland) im Zeitpunkt des Todes vorgelegen haben. Beachten Sie: Es ist unerheblich, ob der Vertrag des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners bereits bestand oder im Zuge der Kapitalübertragung neu abgeschlossen wird und ob der überlebende Ehegatte/Lebenspartner selbst zum begünstigten Personenkreis gehört oder nicht. Die Auszahlung von Leistungen aus diesem Altersvorsorgevertrag richtet sich nach § 1 Abs. 1 AltZertG.
c) Sonderfälle der Rückzahlung
aa) Rechtslage ab 1.1.2023
Ab Beginn der Auszahlungsphase treten bei Wohnsitznahme außerhalb eines EU-/EWR-Staates in der Regel die Folgen der schädlichen Verwendung ein.
Eine Wohnsitznahme außerhalb eines EU-/EWR-Staates liegt vor, wenn