Leitsatz
1. Eine inländische öffentliche Kasse ist die Kasse einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, sowie jede Kasse, die einer Institution angehört, die der Dienstaufsicht und der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentliche Hand unterliegt.
2. Die Kasse einer inländischen, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ist eine öffentliche Kasse im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes.
Normenkette
§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, § 1 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG, § 37, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1, § 218 AO, Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 WRV
Sachverhalt
Der Kläger ist römisch-katholischer Priester und im Auftrag eines inländischen Bistums in Brasilien als Gemeindepfarrer tätig. Einen Wohnsitz in Deutschland hat er nicht. Im Rahmen einer beim Bistum durchgeführten LSt-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der vom Bistum gezahlte Arbeitslohn des Klägers für dessen Tätigkeit in Brasilien ab dem 1.1.2006 der inländischen Lohnversteuerung unterliege, weil das Doppelbesteuerungsabkommen mit Brasilien am 31.12.2005 außer Kraft getreten sei. Infolgedessen behielt das Bistum unter anderem in den Jahren 2011 bis 2016 (Streitzeitraum) vom Gehalt des Klägers LSt, KiSt und SolZ unter Berücksichtigung der LSt-Klasse I ein und führte die einbehaltenen Beträge an das FA ab. Der Kläger legte gegen die LSt-Anmeldungen des Bistums von Dezember 2010 bis Dezember 2016 jeweils Einspruch ein. Die Einsprüche gegen die LSt-Anmeldungen Dezember 2010 bis Oktober 2015 und Januar 2016 bis Dezember 2016 verwarf das FA als unzulässig. Die Einsprüche gegen die LSt-Anmeldungen November 2015 und Dezember 2015 wies es als unbegründet zurück. Der Kläger erhob hiergegen keine Klage.
Er begehrte vom FA allerdings die Erstattung der vom Bistum im Streitzeitraum von seinem Arbeitslohn einbehaltenen und abgeführten LSt und KiSt sowie des SolZ. Das FA erließ daraufhin einen Abrechnungsbescheid, mit dem es den Erstattungsanspruch auf 0 EUR feststellte. Den Einspruch des Klägers wies das FA als unbegründet zurück.
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.3.2021, 12 K 1516/17 AO, Haufe-Index 14441127, EFG 2021, 1127).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid. Das gilt insbesondere auch für Streitigkeiten über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, der nach § 37 Abs. 1 AO einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis darstellt.
2. Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsgrund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).
3. Ob eine Steuer i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AOohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder dieser später weggefallen ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen (§ 168 AO) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO).
4. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch gegen das FA auf Erstattung der für den Streitzeitraum entrichteten LSt und Nebenabgaben. Denn die entsprechenden Steuern wurden aufgrund der LSt-Anmeldungen des Bistums und damit mit Rechtsgrund gezahlt. Diese Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO) stehen jeweils einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO).
5. Die Steuerfestsetzungen sind auch nicht nachträglich entfallen. Denn die LSt-Anmeldungen wurden weder geändert noch aufgehoben. Das FA hat die vom Kläger gegen die LSt-Anmeldungen erhobenen Einsprüche vielmehr teilweise als unzulässig verworfen und teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Klage gegen diese Entscheidungen des FA hat der Kläger nicht erhoben, sodass sie bestandskräftig geworden sind.
6. Soweit der I. Senat des BFH die Auffassung vertreten hat, die Vorschriften über den LSt-Abzug träten hinter die Regelungen über die beschränkte Steuerpflicht zurück, weshalb LSt, die über die Steuerpflicht von Einkünften nach Maßgabe des § 49 EStG hinausgehe, ohne materiell-rechtlichen Grund erhoben und deshalb entsprechend § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zu erstatten sei (BFH, Urteil vom 21.10.2009, I R 70/08, BFH/NV 2010, 350), kann der erkennende Senat dahinstehen lassen, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte.
7. Zwar ist die Vorschrift des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG, auch wenn sie zwischenzeitlich durch Art. 1 Nr. 16 Buchst. b des AbzStEntModG (BGBl I 2021, 1259) aufgehoben wu...