rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung nach Auslandstätigkeitserlass nicht nur für Arbeiten an industriell genutzten Gebäuden im Ausland, sondern für Arbeiten an jeglichen Gebäuden im Ausland grundsätzlich möglich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass alle für mindestens drei Monate ununterbrochen im Ausland ausgeführten Arbeiten an Bauwerken nach Ziff. I. des auf Grundlage des § 34c Abs. 5 EStG aus volkswirtschaftlichen Gründen geschaffenen Auslandstätigkeitserlasses v. 31.10.1983, IV B 6 – S 2293 – 50/83, BStBl 1983 I S. 470) steuerbefreit sein können und nicht nur Arbeiten an solchen Bauwerken, die im Zusammenhang mit einer industriellen Nutzung (Anlagenbau) stehen (gegen FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.8.2011, 10 V 986/11); es ist somit nicht ernstlich zweifelhaft, dass auch der Arbeitslohn eines Arbeitnehmers für im Ausland durchgeführte Restaurierungs-, Reinigungs- und Sicherungsarbeiten an historischen Gebäuden sowie Denkmälern bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses steuerfrei sein kann (Ausführungen zum Zweck von § 34c Abs. 5 EStG).

2. Ein Steuerpflichtiger hat einen Anspruch auf Erlass der Steuer, wenn die Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses erfüllt sind. Verwehrt die Finanzverwaltung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses den Erlass der Steuer, handelt sie gleichheitssatzwidrig.

3. Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter die Verwaltungsanweisung fällt, so ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Regelung anzuwenden ist oder nicht. Damit können die Finanzgerichte die Verwaltungsbehörden nicht zwingen, eine Verwaltungsanweisung auch auf einen Fall anzuwenden, bei dem objektive Zweifel bestehen und bei dem die Behörde ohne Willkür von der Anwendung der Anweisung Abstand genommen hat. Eine erweiternde oder analoge Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 34c Abs. 5; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Arbeitslohn des Antragstellers für eine Tätigkeit in A nach dem Auslandstätigkeitserlass von der Besteuerung freizustellen ist.

Der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige, verheiratete und im Streitjahr (2017) einzeln veranlagte Antragsteller erzielte unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der B GmbH (im Folgenden: GmbH), deren Geschäftsgegenstand u.a. die Gebäude- und Objektrestauration war. In den Jahren 2015 bis 2017 war der Antragsteller nahezu ausschließlich für die GmbH in C (A) tätig, um deren Aufträge zur Modernisierung und Instandsetzung verschiedener historischer Gebäude und Denkmäler in C wahrzunehmen, darunter die Fassade des Kapitols, die Kathedrale sowie Schulgebäude. Nach den Feststellungen des Antragsgegners, des Finanzamts (FA), handelte es sich im Wesentlichen gleichbedeutend um Restaurierungs-, Reinigungs- und Sicherungsarbeiten an historischen Gebäuden in C (Sonderbericht über die Prüfung von Auslandsbeziehungen vom 03.09.2019 Tz. 6).

Für diese Tätigkeit erteilte das FA dem Antragsteller im Dezember 2015 eine Freistellungsbescheinigung nach dem Auslandstätigkeitserlass, nach welcher der Arbeitslohn des Antragstellers für die Auslandstätigkeit in A im Inland nicht dem Steuerabzug unterliegt. Die Bescheinigung galt widerruflich vom 01.12.2015 bis 31.12.2017 unter der Bedingung, dass die Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses vom 31.10.1983 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 1983, 470) erfüllt werden. Außerdem wies das FA in der Freistellungsbescheinigung darauf hin, dass die abschließende Prüfung der Steuerfreistellung des Arbeitslohns erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt.

Aufgrund der Freistellungsbescheinigung zog die GmbH von dem an den Antragsteller gezahlten Arbeitslohn (für 2017: 84.000 EUR) keine Lohnsteuer ab. Der Antragsteller wertete den Arbeitslohn in seiner Einkommensteuererklärung für 2017 als steuerfrei nach dem Auslandstätigkeitserlass.

Nach einer bei der GmbH im August 2019 durchgeführten Außenprüfung gelangte das FA zu der Ansicht, dass der an den Antragsteller gezahlte Arbeitslohn für seine Tätigkeit in A keine begünstigte Tätigkeit i.S. von Ziff. I. des Auslandstätigkeitserlasses darstelle. Danach müssten sich die Tätigkeiten auf Fabriken, Bauwerke, ortsgebundene große Maschinen oder ähnliche Anlagen beziehen und eine gewisse volkswirtschaftliche oder industrielle bzw. technische Bedeutung haben. Nach dem Zweck des Auslandstätigkeitserlasses, insbesondere den Anlagenbau zu fördern, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu fördern, falle eine Tätigkeit, die sich auf Gebäude ohne industrielle Nutzung beschränkt, nicht unter den Auslandstätigkeitserlass. Im vorliegenden Fall hätten die Tätigkeiten keinerlei Bezug zum industriellen Anlagenbau, und es fehle auch an einer erforderlichen gewissen volkswirtschaftlichen oder indus...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge