Leitsatz

Der Steuerpflichtige hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich erst dann wirksam ausgeübt, wenn er zeitnah eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine ordnungsgemäße kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG, § 146 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, die seit 1.1.1992 ein Architekturbüro in der Rechtsform einer GbR betreibt, ermittelte bis einschließlich 1993 ihren Gewinn aus selbstständiger Arbeit durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Für das Streitjahr 1994 legte sie dem FA im Juni 1996 eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich vor, die einen Verlust von ca. 4, 4 Mio. DM auswies.

Die nach Aufforderung durch das FA vorgelegte "Eröffnungsbilanz" enthielt den Hinweis, dass auf die Ermittlung der unfertigen Arbeiten, Forderungen und weiteren sonstigen Verbindlichkeiten verzichtet worden sei, da diese den Übergangsverlust nur zusätzlich erhöhen würden. Die nach R 14 zu § 4 EStR erforderlichen Zu- und Abrechnungen wurden nicht vorgenommen.

Das FA erkannte nach einer Betriebsprüfung den Übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nicht an. Das FG wies die Klage ab (EFG 2004, 555).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Ein Übergang von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zum Bestandsvergleich sei im Streitjahr nicht mehr möglich. Die Eröffnungsbilanz sei nicht zeitnah erstellt und die Bestände nicht ordnungsgemäß erfasst worden.

 

Hinweis

1. Die GbR, zu der sich im Besprechungsfall zwei Angehörige eines freien Berufs (Architekten) zusammengeschlossen hatten, konnte ihren Gewinn durch Berechnung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermitteln. Die GbR war nicht buchführungspflichtig und hat auch keine Abschlüsse gemacht. Sie hatte das ihr insoweit zustehende Wahlrecht bei Betriebsbeginn im Jahr 1992 zugunsten der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ausgeübt.

2. Ein Wechsel von der zunächst gewählten Gewinnermittlungsart zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG war für die GbR jederzeit möglich. Eine zeitliche Bindung an die bei Betriebsbeginn getroffene Wahl für einen bestimmten Zeitraum bestand insoweit nicht. Der BFH hat zwar entschieden, dass ein Steuerpflichtiger nach einem Wechsel der Gewinnermittlungsart grundsätzlich für drei Wirtschaftsjahre an diese Wahl gebunden ist (vgl. BFH, Urteil vom 9.11.2000, IV R 18/00, BFH-PR 2001, 88).

Dies soll – wie sich den Gründen der Entscheidung entnehmen lässt – allerdings nur für den Fall eines erneuten Wechsels der Gewinnermittlungsart gelten, also wenn der Steuerpflichtige bereits vorher mindestens einmal von einer Gewinnermittlungsmethode zur anderen übergegangen war. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der BFH die dreijährige Bindung auch auf den Fall eines erstmaligen Wechsels ausdehnen will. Dementsprechend hat der BFH im Besprechungsfall auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass die GbR bereits zwei Jahre nach Betriebsbeginn zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich wechseln wollte.

3. Zur Voraussetzung für eine wirksame Ausübung des Wahlrechts auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich macht der BFH jedoch, dass ein nicht zur Buchführung verpflichteter Steuerpflichtiger

  • zeitnah eine Eröffnungsbilanz erstellt,
  • eine ordnungsgemäße kaufmännische Buchführung eingerichtet und
  • aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss gemacht hat.

Diese Voraussetzungen hatte die GbR im Streitfall nicht erfüllt. Die Eröffnungsbilanz für das Jahr 1994 war nicht zeitnah, sondern erst nach dem Ablauf des Jahrs 1994 erstellt worden. Zudem waren die Bestände nicht ordnungsgemäß zum "Eröffnungsstichtag" erfasst worden. Letzteres geht bereits aus dem Hinweis der GbR selbst hervor, dass sie auf die Ermittlung der unfertigen Arbeiten, Forderungen und weiteren Verbindlichkeiten "verzichtet" habe.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.10.2005, XI R 4/04

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