Leitsatz
1. Die Anhörungsrüge nach § 133a FGO ist gegen Urteile und Beschlüsse des BFH als (End-)Entscheidungen statthaft; hierzu gehört auch ein Beschluss des BFH, in dem ein bei ihm eingelegter Antrag auf Bewilligung von PKH für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt wurde.
2. Der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge beschränkt sich auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die gerichtliche (End-)Entscheidung.
3. Mit der Anhörungsrüge kann nicht erreicht werden, dass das Gericht seine Entscheidung in der Sache in vollem Umfang überprüft.
Normenkette
§ 133a FGO , § 321a ZPO
Sachverhalt
Der BFH hatte einen Antrag des Rügeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt. Gegen den Beschluss des BFH erhob der Rügeführer eine Anhörungsrüge mit verschiedenen Einwendungen (u.a. Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Übergehen von Zeugenbeweisanträgen durch das FG; unzureichende Würdigung durch den BFH etc.).
Entscheidung
Der BFH wies die Rüge – bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit – jedenfalls als unbegründet zurück. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BFH (nur um dessen Entscheidung konnte es hier gehen) eine Gehörsverletzung begangen haben könnte. Mit dem Vorbringen, der BFH habe in der Sache fehlerhaft entschieden, könne der Rügeführer hier nicht gehört werden. Die Anhörungsrüge diene im Übrigen nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen; ebenso wenig könne mit der Anhörungsrüge eine Begründungsergänzung hinsichtlich des beanstandeten PKH-Beschlusses herbeigeführt werden.
Hinweis
1. Vorgeschichte: Durch Plenarentscheidung hatte das BVerfG mit Beschluss vom 30.4.2003, BVerfGE 107, 395 entschieden, dass es gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch verstößt, wenn eine Verfahrensordnung bei Unanfechtbarkeit einer Gerichtsentscheidung keine eigenständige einmalige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, um einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen das elementare Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu beheben.
Das BVerfG hat die von der Praxis "teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts" entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe mit den "verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit" und Rechtssicherheit für unvereinbar gehalten. Die Rechtsbehelfe müssten in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein. Da sich bislang nicht immer mit der nötigen Klarheit aus dem Prozessrecht entnehmen lasse, dass und unter welchen Voraussetzungen der von einer Gehörsverletzung Betroffene die Fachgerichte um Abhilfe ersuchen könne, gab das BVerfG dem Gesetzgeber auf, bis zum 31.12.2004 die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
2. Am 1.1.2005 ist das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) in Kraft getreten. Unter anderem wurde die FGO geändert und hier ein neuer § 133a FGO eingefügt. Diese Vorschrift sieht als außerordentlichen Rechtsbehelf eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit gegen unanfechtbare gerichtliche Entscheidungen vor, wenn das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Anhörungsrüge löst also ein Selbstkontrollverfahren bei judex a quo aus.
3. Die Anhörungsrüge des § 133a FGO orientiert sich am Regelungsmodell des bisherigen § 321a ZPO, der über § 155 FGO im Finanzgerichtsprozess entsprechend anwendbar war. Sie stellt einen eigenständigen, subsidiären außerordentlichen Rechtsbehelf dar, der nur dann zum Zug kommt, wenn der Gehörsverstoß nicht im Rahmen anderer, zur Überprüfung der Entscheidung gegebener Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel geltend gemacht werden kann. Unanfechtbar sind z.B. letztinstanzliche Urteile und Beschlüsse des BFH (wie vorliegend der PKH-Beschluss). Urteile der FG können dagegen nicht mittels der Anhörungsrüge überprüft werden, da sie mit der Revision bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbar sind.
4. Aus dem gesetzlichen Wortlaut und der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass mit der Anhörungsrüge nach § 133a FGO nur ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht werden kann. Da in der Besprechungsentscheidung ausdrücklich nur eine Anhörungsrüge erhoben worden war, brauchte der BFH nicht darüber zu entscheiden, ob der außerordentliche Rechtsbehelf der Gegenvorstellung weiterhin statthaft ist bzw. ob dieser Rechtsbehelf ggf. den Regeln des § 133a FGO zu unterwerfen ist.
Die Gegenvorstellung dient(e) (gleichfalls) einer fachgerichtlichen Selbstkontrolle in Fällen einer Verletzung verfassungsmäßig garantierter Verfahrensgrundrechte (z.B. Recht auf den gesetzlichen Richter, Recht auf ein faires Verfahren etc.) sowie in Fällen grob materieller Fehlerhaftigkeit (bzw. Willkür, greifbare Gesetzwidrigkeit) einer gerichtlichen Entscheidung.
Es ist ...