Leitsatz
Die Umsatzsteuer für die steuerpflichtige Lieferung eines mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücks im Konkurs durch den Gemeinschuldner nach "Freigabe" durch den Konkursverwalter gehört zu den Massekosten und ist durch Steuerbescheid gegen den Konkursverwalter festzusetzen.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 UStG , § 47 KO , § 58 Nr. 2 KO , § 127 KO
Sachverhalt
Der Kläger, ein Konkursverwalter, teilte dem Gemeinschuldner mit, dass er das Geschäftsgrundstück des Gemeinschuldners, das er erfolglos zu veräußern versuchte, aus dem Konkursbeschlag freigebe. Gleichzeitig beantragte er beim Grundbuchamt die Löschung des Konkursvermerks. Der Gemeinschuldner veräußerte das Grundstück und wies im notariellen Kaufvertrag und einer außerdem erteilten Rechnung Umsatzsteuer gesondert aus. Mit dem Bruttokaufpreis wurden die in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Belastungen abgelöst.
Der Kläger machte geltend, die Grundstückslieferung betreffe durch seine Freigabe konkursfreies Vermögen, so dass die Umsatzsteuer keine Masseforderung sei. Die Finanzbehörde rechnete dem Kläger den Verzicht des Gemeinschuldners auf die Steuerfreiheit der Grundstückslieferung zu und setzte gegen ihn für die Grundstückslieferung Umsatzsteuer fest.
Entscheidung
Der BFH stellt fest, dass die steuerpflichtige Grundstückslieferung zutreffend dem Kläger zugerechnet worden sei und die Umsatzsteuer Teil der Massekosten darstellten. Komme der Verwertungserlös der Konkursmasse zugute, sei die Veräußerung eines der Konkursmasse gehörenden Grundstücks als Verwertung für Rechnung der Konkursmasse zu beurteilen.
Es sei umsatzsteuerlich unerheblich, dass zum einen der Gemeinschuldner die Lieferung nach Berechtigung durch den Konkursverwalter ausgeführt habe, zum anderen, ob die Mitteilung der Freigabe an den Gemeinschuldner konkursrechtlich als eine echte oder sog. modifizierte Freigabe zu beurteilen sei. In beiden Fällen der Freigabe führe die Veräußerung eines zur Konkursmasse gehörenden Grundstücks durch den Gemeinschuldner zu einer die Konkursmasse betreffende Verwertung, wenn der Erlös an die Stelle des belasteten Grundstücks trete, vereinbarungsgemäß an die absonderungsberechtigten Konkursgläubiger ausgekehrt werde und die Konkursmasse deshalb in dieser Höhe entlaste.
Hinweis
Konkursrechtlich bzw. nach dem Recht der Insolvenz ist zwischen einer echten Freigabe und einer modifizierten Freigabe zu unterscheiden. Eine echte Freigabe liegt vor, wenn der Insolvenz-/Konkursverwalter nicht nur auf die Substanz des Gegenstands verzichtet, sondern auch auf den wirtschaftlichen Wert. Von einer modifizierten Freigabe wird dagegen dann gesprochen, wenn zwischen Insolvenz-/Konkursverwalter und Schuldner die Abrede getroffen wird: Der Schuldner darf den Gegenstand verwerten, hat den Erlös aber zur Masse abzuführen.
Der BFH hat unter Aufgabe der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung zwischen echter und modifizierter Freigabe i.S.d. Konkurs-/Insolvenzrechts fernab von Begrifflichkeiten – wie bisher auch – allein darauf abgestellt, ob der wirtschaftliche Wert des Gegenstands auch nach der Verwertung durch den Gemeinschuldner der Konkurs-/Insolvenzmasse erhalten bleibt. Im vorliegenden Fall trat der Erlös an die Stelle des belasteten Grundstücks, vereinbarungsgemäß wurde der Erlös an die absonderungsberechtigten Konkursgläubiger ausgekehrt und damit die Konkursmasse in dieser Höhe entlastet. Folglich kann die aus der Verwertung resultierende Umsatzsteuer alleine zu den Massekosten gehören.
Umsatzsteuerlich ist damit die konkurs-/insolvenzrechtliche Unterscheidung zwischen echter und modifizierter Freigabe für die Zuordnung der aus der Verwertung resultierenden Umsatzsteuer als Massekosten obsolet. Entscheidend ist allein, ob der Erlös der Masse zugute kommt oder nicht. Für den Fall der Verwertung absonderungsberechtigter Gegenstände wird dieses Ergebnis für das Insolvenzrecht durch § 170 Abs. 2 InsO i.V.m. § 166 InsO bestätigt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.8.2001, V R 59/99