Kommt man bei der jeweiligen Beurteilung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass es sich bei Vortrag nebst Skript um eine einheitliche Leistung handelt, ist die Einordnung des Skripts zum Vortrag davon abhängig, ob eine einheitliche Leistung mit mehreren Hauptbestandteilen vorliegt oder das Skript als bloße Nebenleistung zum Vortrag als Hauptbestandteil der Leistung zuzuordnen ist (s. dazu oben unter III.3).
Ausgehend davon, dass das Skript – wenn es sich um keine eigenständige Leistung nach den obigen Maßstäben handelt – bloß ergänzende und nur zum Teil eine vertiefende Funktion hat, ist dieses als Nebenleistung zur Hauptleistung des Vortrags einzuordnen. Die Einordnung als unselbstständige Nebenleistung gründet sich darauf, dass es für den Veranstalter als Leistungsempfänger maßgeblich darauf ankommt, dass die Inhalte des Skripts im Rahmen des (Online-)Seminars erläutert und verständlich dargestellt werden. Der Hauptbestandteil liegt mithin in der Vermittlung der Inhalte durch einen Vortrag, bei dem auch eine Diskussion aller Teilnehmer möglich ist. Das Skript kann dabei der Unterstützung des fachlichen Austauschs während des Seminars oder zur Klärung von Fragen oder der weiteren Vertiefung des im Vortrag vermittelten Stoffes im Nachgang dienen.
Diese Einordnung entspricht der Linie des BFH, der die überlassene Abschrift der zuvor gehaltenen Trauerrede für weitergehende Veröffentlichungen nur als unselbstständige Nebenleistung eingeordnet hat – zumindest solange kein gesondertes Entgelt vereinbart wurde. Auch die Überlassung von Broschüren als Ergänzung eines Seminars wird nur als unselbstständige Nebenleistung angesehen.
Gleichlaufend zu der Einordnung der Präsenzvorträge unterwirft die Finanzverwaltung die Übergabe eines Skripts an den Veranstalter nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG. Dies lässt sich damit begründen, dass nach der vorab aufgezeigten Einordnung des BFH der wesentliche Inhalt der vereinbarten Leistungen die Vortragsleistung in Präsenz ist und nicht die Übergabe des Vortragsskripts. Die Einräumung oder Übertragung von Nutzungsrechten an dem Skript ist damit nur unselbstständige Nebenleistung zur Hauptleistung, die dem Regelsteuersatz unterfällt.
Liegt aber nach der hier vertretenen Auffassung der Hauptbestandteil der Leistung bei Online-Seminaren in der Einräumung des Urheberrechts, insbesondere des Senderechts aus § 20 UrhG, greift dieser Begründungsansatz nicht mehr. Die zusätzliche Bereitstellung eines Skripts als Nebenleistung teilt dann das Schicksal der Hauptleistung. Übergibt der Referent dem Veranstalter für das Online-Seminar daher ein zugehöriges Skript, unterfällt dieses ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz aus § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG.
Anmerkung: Zu keinem anderen Ergebnis würde man kommen, wenn man das Skript zum Online-Seminar als zweiten Hauptbestandteil einer einheitlichen Leistung beurteilt. Auf beide Hauptbestandteile fände ohnehin der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG Anwendung.
Beispiel 9:
Das Unternehmen U bucht den Referenten R für ein Online-Seminar. Zusätzlich stellt der R dem U ein Skript zur Verfügung, dass den Teilnehmern des Seminars angeboten werden soll. Zur Vervielfältigung und Verbreitung des Skripts wird dem U ein Nutzungsrecht seitens des R eingeräumt. Das Skript gibt im Wesentlichen den Inhalt des abgehaltenen Vortrags wieder. Es wird nur ein pauschales Entgelt vereinbart.
Für das Online-Seminar findet – nach der hier vertretenen Auffassung – der § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG Anwendung. Gleiches gilt für das Skript zum Vortrag als unselbstständige Nebenleistung. Mithin findet auf die gesamten Leistungen der ermäßigte Steuersatz Anwendung.
Beispiel 10:
Wie in Beispiel 9, nur handelt es sich diesmal um ein Präsenz-Seminar. Auf die Vortragsleistung findet dann mangels Nutzungsrechtseinräumung der Regelsteuersatz aus § 12 Abs. 1 UStG Anwendung. Die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Skript teilt als unselbstständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung. Mithin bleibt es insgesamt bei der Anwendung des § 12 Abs. 1 UStG.