Nachfolgend sollen ausgehend von den unionsrechtlichen Grundlagen der Umsatzsteueroption die Ansichten der Finanzverwaltung und des BFH in Bezug auf den Widerruf einer Umsatzsteueroption bei Grundstückskaufverträgen kurz dargestellt werden. Anschließend wird auf das Meinungsbild in der Literatur eingegangen.
I. Unionsrechtliche Grundlagen
Keine Zeit- und Formvorgaben durch Unionsrecht: Betrachtet man die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 137 MwStSystRL, geben diese weder in Bezug auf die Ausübung der Umsatzsteueroption noch zu einer Widerrufsmöglichkeit Zeit- und Formvorgaben. Nach Art. 137 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, sich u.a. bei Grundstücksumsätzen für eine Besteuerung zu entscheiden. Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten für die Inanspruchnahme dieses Wahlrechts festlegen und dessen Umfang einschränken (Art. 137 Abs. 2 MwStSystRL). Das Unionsrecht räumt den Mitgliedstaaten damit ein weites Ermessen ein. Denn die Mitgliedstaaten können die Verfahrensbedingungen vorgeben, nach denen das Optionsrecht ausgeübt werden kann. In ihrem innerstaatlichen Recht spezifizieren sie also den Umfang und die Inanspruchnahme des Optionsrechts. Die Mitgliedstaaten müssen dabei den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der Steuerbefreiungen beachten.
Weites Ermessen für Mitgliedstaaten: Aus dem Unionsrecht folgt also keine Vorgabe dahingehend, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt eine Umsatzsteueroption ausgeübt werden muss. Erst recht folgt aus dem Unionsrecht auch keine Vorgabe dahingehend, wann und wie eine ordnungsgemäß ausgeübte Umsatzsteueroption widerrufen werden kann. Vielmehr wird dies vollständig den Mitgliedstaaten überlassen.
II. Ansichten der Finanzverwaltung und des BFH
1. Ansicht der Finanzverwaltung
Ausübung und Widerruf der Option nur in notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag: In der aktuell geltenden Fassung des UStAE wird dem Widerruf einer Umsatzsteueroption nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sehr knapp wird dort Folgendes geregelt: "Gleiches gilt für die Rücknahme des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung", womit Bezug genommen wird auf die Unwirksamkeit des späteren Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung, auch wenn er notariell beurkundet wird. Hieraus wird geschlossen, dass die Rücknahme der Umsatzsteueroption, wie auch die Ausübung der Umsatzsteueroption selbst, nur in dem notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag erklärt werden kann.
Der Widerruf der Umsatzsteueroption zu einem späteren Zeitpunkt und damit außerhalb des notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrages ist nach Ansicht der Finanzverwaltung also unwirksam, auch wenn er von den Parteien des Grundstückskaufvertrags in einer notariell beurkundeten Vertragsänderung gemeinsam (!) erklärt wird. In seiner aktuellen Fassung steht Abschn. 9.2 Abs. 9 Satz 3 UStAE nunmehr diametral zu der jüngsten finanzgerichtlichen Rechtsprechung.
2. Jüngere Rechtsprechung des BFH
Der XI. Senat des BFH beschäftigte sich im Jahr 2015 und nun noch einmal im Jahr 2021 mit der Umsatzsteueroption bei Grundstückslieferungen. Während sich die Entscheidung im Jahr 2015 im Wesentlichen mit der Frage beschäftigte, wann die Umsatzsteueroption ausgeübt werden muss, hatte die Entscheidung im Jahr 2021 maßgeblich die Frage zum Gegenstand, ob eine erklärte Umsatzsteueroption nachträglich widerrufen werden kann.
a) BFH-Urt. v. 21.10.2015 – XI R 40/13, BStBl. II 2017, 852
Der BFH entschied zu einem Sachverhalt, der sich auf die Rechtslage nach Einführung der §§ 9 Abs. 3,13b Abs. 2 Nr. 3 UStG bezieht. In dem streitgegenständlichen Sachverhalt wurde eine Grundstückslieferung ohne Umsatzsteueroption beurkundet. Circa vier Jahre später holten die Vertragsparteien die Umsatzsteueroption in einer notariell beurkundeten "Neufassung" des Vertrages nach.
Diese nachträgliche Umsatzsteueroption ist nach Ansicht des BFH nicht zulässig. Er entschied, dass die Umsatzsteueroption nur in dem gem. § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag erklärt werden könne und somit nur in dem Kaufvertrag, welcher der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht. Danach schließe der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Umsatzsteueroption in einer nachfolgenden Neufassung des Grundstückskaufvertrages selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet werde. Aus § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG folge keine bloße notarielle Beurkundungspflicht im Sinne einer Formvorschrift, sondern der notarielle Grundstückskaufvertrag sei danach auch "letztmöglicher Zeitpunkt für...