Veräußert der Grundstücksübernehmer das unentgeltlich oder teilentgeltlich erworbene Grundstück, hängt eine mögliche Steuerpflicht eines erzielten Veräußerungsgewinns zum einen davon ab, wie das Grundstück in der Zwischenzeit genutzt wurde, aber auch, ob es unentgeltlich oder teilentgeltlich erworben wurde.
Hinsichtlich der Art der Nutzung ist die Besteuerung des Veräußerungsgewinns generell ausgeschlossen, wenn das Wirtschaftsgut
- im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 1) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 2 EStG).
Dagegen ist bei einer Veräußerung eines ganz oder teilweise vermieteten Objekts Vorsicht geboten. Dabei ist hinsichtlich der Ermittlung der für eine Steuerpflicht maßgeblichen zehnjährigen Veräußerungsfrist zwischen einem unentgeltlichen und einem teilentgeltlichen Erwerb zu unterscheiden.
Hat der Steuerpflichtige das zur Einkünfteerzielung dienende Objekt unentgeltlich erworben, ist als Anschaffungszeitpunkt und damit Beginn der Zehn-Jahres-Frist auf die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger abzustellen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Bei einer unentgeltlichen Übertragung ist auch die Annahme von Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ausgeschlossen. Denn die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar (BFH v. 23.4.2021 – IX R 8/20, BStBl. II 2021, 743 = ErbStB 2021, 297 [Rothenberger]).
Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft beim Grundstücksübernehmer hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils ergeben. Hier gilt die sog. Trennungstheorie (BFH v. 29.6.2011 – IX R 63/10, BStBl. II 2011, 873 = ErbStB 2011, 272 [Esskandari / Bick]). Außerdem kann die Übertragung auch beim Übertragenden einen nach § 23 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auslösen.
Beispiel
V, Vater von zwei Kindern, ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er zum 1.7.2017 für 100.000 EUR angeschafft hat. Er überträgt das Grundstück zum 1.1.2019 auf seinen Sohn, der das Grundstück bebauen will. Das Grundstück hat zum Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert i.H.v. 130.000 EUR. Entsprechend hat der Sohn seine Schwester mit 65.000 EUR auszuzahlen. Der Sohn veräußert das Grundstück zum 15.4.2023 für 150.000 EUR an einen Dritten.
Rechtsfolgen beim Übertragenden V: Vater V hat innerhalb des am 1.7.2017 beginnenden zehnjährigen Besteuerungszeitraums das Grundstück teilentgeltlich (zu ½) an seinen Sohn veräußert und erzielt in diesem Umfang einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG. Dieser beträgt 65.000 EUR (Teilentgelt) abzgl. der hälftigen Anschaffungskosten von 50.000 EUR = 15.000 EUR. Der unentgeltlich übertragene Teil löst bei V keine Steuerpflicht aus, die Besteuerungsmerkmale (Anschaffung 1.7.2017 zu 50.000 EUR) gehen auf den Sohn als unentgeltlichem Rechtsnachfolger über (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Rechtsfolgen beim Grundstücksübernehmer (Sohn): Die Veräußerung des Grundstücks durch den Sohn zum 15.4.2023 löst bei ihm eine Steuerpflicht in zweierlei Hinsicht aus:
- Bezüglich des entgeltlich erworbenen Teils sind dem anteiligen Veräußerungsentgelt von 75.000 EUR die Anschaffungskosten i.H.v. 65.000 EUR gegenüberzustellen, so dass sich eine Gewinn von 10.000 EUR ergibt.
- Bezüglich des unentgeltlich erworbenen Teils sind dem anteiligen Veräußerungserlös i.H.v. 75.000 EUR die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers i.H.v. 50.000 EUR gegenüberzustellen, so dass sich ein Veräußerungsgewinn i.H.v. 25.000 EUR ergibt, denn die Veräußerung erfolgt innerhalb der durch die Anschaffung des Rechtsvorgängers in Gang gesetzten Zehn-Jahres-Frist.
Beraterhinweis Nutzt der Grundstücksübernehmer das (unentgeltlich oder teilentgeltlich) erworbene Grundstück für betriebliche Zwecke, erfolgt die Einlage des Grundstücks mit dem Teilwert. In diesem Fall hat eine nachfolgende Veräußerung aus dem Betriebsvermögen unabhängig vom Zeitpunkt der Veräußerung stets eine steuerwirksame Auflösung der stillen Reserven zur Folge, da das Grundstück aus dem Betriebsvermögen ausscheidet.