Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt
Leitsatz
1. § 6 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ist entsprechend seinem Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzung und Entstehungsgeschichte eng auszulegen und auf die gesetzlich beschriebenen Tätigkeiten zu beschränken.
2. Die Vorschrift kann nicht auf die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn das Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang steht (hier Antrag auf Erlass im Sinne von § 227 der Abgabenordnung im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung).
3. Nach Vollziehung eines Verwaltungsakts fehlt für eine Leistungsklage im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung in der Regel das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da die gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebundene Verwaltungsbehörde von sich aus die sich aus der Aufhebung ihres bereits vollzogenen Verwaltungsakts ergebenden Konsequenzen ziehen wird.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Nr. 4 StBerG, § 80 Abs. 7 und 10, § 152 Abs. 1, § 227 AO, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG, § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin war ein selbstständiges Buchführungsbüro, das Arbeiten i.S.d. § 6 Nr. 3 und 4 StBerG ausführte. Für ihre Mandantin (B-GmbH) erstellte sie die Lohnbuchhaltung. Nachdem das FA gegen die B-GmbH einen Verspätungszuschlag zur LSt-Anmeldung festgesetzt hatte, wandte sich die Klägerin an das FA mit der "Bitte", "den Verspätungszuschlag zu erlassen".
Das FA betrachtete dies als einen Erlassantrag, zu dem die Klägerin nicht befugt sei. Daher wies es die Klägerin als Bevollmächtigte der B-GmbH gemäß § 80 Abs. 7 AO zurück und teilte zudem der B-GmbH mit, dass "alles", was die Klägerin im Rahmen der Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der B‐GmbH bei den Finanzbehörden vorbringe, nach § 80 Abs. 10 AO ohne Wirkung bleibe.
Allerdings nahm das FA diese Aussage im Einspruchsverfahren gegenüber der Klägerin und im Klageverfahren gegenüber der B-GmbH insoweit zurück, dass sich die Zurückweisung nur auf den Erlassantrag bezogen habe. Das FG als Vorinstanz (Thüringer FG, Urteil vom 20.5.2021, 3 K 266/20, Haufe-Index 15017411, EFG 2022, 184) wies die Klage ab. Es führte u.a. aus, die von der Klägerin so formulierte "Bitte" sei als ein Erlassantrag zu verstehen, für den es der Klägerin aber gemäß § 6 Nr. 4 StBerG an der erforderlichen Befugnis gefehlt habe. Der Klägerin stehe auch kein Folgenbeseitigungsanspruch zu, nachdem das FA klargestellt habe, dass sich die Zurückweisung lediglich auf den Erlassantrag bezogen habe.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision gegen das Urteil des Thüringer FG mit der Maßgabe als unbegründet zurück, dass die Klage hinsichtlich des Folgenbeseitigungsantrags bereits unzulässig war.
Hinweis
1. Soweit ein Verwaltungsakt schon vollzogen ist, kann das Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat.
a) Für eine – ergänzend zu einer Anfechtungsklage gegen einen vollzogenen Verwaltungsakt erhobene – Leistungsklage fehlt es zumeist an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches besteht in der Regel nicht, da die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebundene Verwaltungsbehörde von sich aus die sich aus der Aufhebung ihres bereits vollzogenen Verwaltungsakts ergebenden Konsequenzen ziehen wird (BFH, Urteil vom 16.7.1980, VII R 24/77, Haufe-Index 73604, BStBl II 1980, 632).
b) Im Streitfall war ein – in Ergänzung zu der Anfechtung eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts – gestellter Folgenbeseitigungsantrag daher unzulässig.
c) Hält das FG die Klage hingegen für zulässig (aber unbegründet), ist die Vorentscheidung im Revisionsverfahren nicht deshalb aufzuheben. Vielmehr hat sie Bestand, weil der Urteilstenor (Klageabweisung) richtig ist.
2. Die Auslegung von Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Betrachtet das FG ein Schreiben, welches die "Bitte" enthält, "den Verspätungszuschlag zu erlassen", als einen Erlassantrag gemäß § 227 AO, so ist der BFH an diese Auslegung gebunden.
3. Soweit ein Bevollmächtigter geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet, ohne dazu befugt zu sein, ist er gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen.
a) Für Buchführungsbüros gilt das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 StBerG) gemäß § 6 Nr. 4 StBerG u.a. nicht für das Fertigen von LSt-Anmeldungen.
b) § 6 Nr. 4 StBerG ist aber entsprechend seinem Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzung und Entstehungsgeschichte eng auszulegen und auf die gesetzlich bes...