Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. ab 1999 ist nicht zweifelhaft.
Normenkette
Art. 3 Abs. 1 GG, § 93 Abs. 7, § 93b AO, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 69 Abs. 3, Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Antragsteller A erzielte Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, im Jahr 1999 i.H.v. 871 384 DM und im Jahr 2000 solche von 334 248 DM, erklärte sie aber nicht zur ESt.
Das FA erfuhr davon erst aufgrund einer Außenprüfung und erfasste die Gewinne.
Entscheidung
Der BFH hob auf die vom FG München in seiner Entscheidung über die AdV (DStR 2007, 2056) zugelassene Beschwerde den AdV-Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab.
Hinweis
1. Für die Jahre 1997 und 1998 hatte das BVerfG die Norm wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits für nichtig erklärt (Beschluss vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BGBl I, 591). Wie der IX. Senat des BFH bereits mit Urteil vom 29.11.2005, IX R 49/04 (BFH-PR 2006, 103) entschieden hat, gewährleistet das erst nachträglich, aber rückbezüglich eingeführte Kontenabrufverfahren (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) eine verbesserte Überprüfung auch für die Jahre ab 1999, sodass nicht mehr von einem strukturellen Vollzugsdefizit ausgegangen werden kann. Hiergegen haben sich einige FGe und die Antragsteller dieses Verfahrens gewandt. Verstößt die Anwendung des Kontenabrufs auch für die Jahre 1999 und 2000, die hier im Streit stehen, gegen Grundsätze des BVerfG? Indes liegt kein Widerspruch zur Entscheidung des BVerfG für die Jahre 1997 und 1998 vor. Denn ein gleichheitswidriges Erhebungsdefizit führt zu einer temporären Unvereinbarkeit der Norm und kann nachträglich durch effektivere Ausgestaltung des Verfahrensrechts korrigiert werden. Dazu kann es allerdings nur kommen, soweit die Vorschrift noch gilt -- und sie gilt, solange sie nicht vom BVerfG für nichtig erklärt wird. Das ist für die Jahre 1997 und 1998, nicht aber für die Jahre ab 1999 der Fall gewesen.
2. Der IX. Senat des BFH bestätigte seine bisherige Rechtsauffassung, dass die Besteuerung ab 1999 verfassungsgemäß sei.
Für die Praxis bedeutsam sind die Folgen in der Zeit; denn in den Jahren 1997, 1998 gibt es keine -- weil für nichtig erklärte -- Rechtsgrundlage für die Erhebung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften über Wertpapiere. Wenn der Steuerpflichtige seine Gewinne für diese Jahre nicht erklärt, macht er keine unrichtigen Angaben. Er kann dann aber natürlich auch keine steuerlich erheblichen Verluste geltend machen. Können sie nicht entstehen, können sie auch nicht vor- oder zurückgetragen werden. Erleidet also ein Steuerpflichtiger im Jahr 1998 Verluste aus Wertpapiergeschäften, im Jahr 1999 aber Gewinne, kann er diese Gewinne nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG um die Verluste des Vorjahrs mindern -- die Verluste sind eben nicht steuerbar.
Für die Jahre ab 1999 muss der Steuerpflichtige seine Einkünfte erklären. Einen Verlust im Jahr 1999 kann er nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 8 ff. EStG in das Jahr 1998 zurücktragen, weil in diesem Jahr keine steuerbaren Gewinne entstehen können. Es bleibt hier also nur der Vortrag. Wichtig für die Praxis ist, dass der zuständige Strafsenat des BGH dem BFH folgt (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2007, 5 StR 162/07, PStR 2008, 1 ff.).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 19.12.2007, IX B 219/07