Rz. 12
Bedeutung. Die Beurteilung der Vergleichbarkeit erfolgt durch eine sog. Vergleichbarkeitsanalyse. Zentraler Bestandteil dieser Vergleichbarkeitsanalyse ist eine Funktions- und Risikoanalyse, die eine detaillierte Untersuchung der von den verbundenen Unternehmen bezogen auf die konkrete Geschäftsbeziehung ausgeübten Funktionen, der von diesen getragenen Risiken und die Feststellung der jeweils eingesetzten Produktionsmittel zum Gegenstand hat. Neben der Funktionsverteilung zwischen den verbundenen Geschäftspartnern ist somit die Risikoverteilung von entscheidender Bedeutung. Angesichts der rechtlichen Selbstständigkeit der Transaktionspartner werden Risiken regelmäßig vertraglich geregelt. Ausgangspunkt einer jeden Risikoanalyse müssen deshalb die vertraglichen Bestimmungen sein, die den vorgenommenen Transaktionen zugrunde liegen. Daneben kann sich die Risikoverteilung aus anderen schriftlichen Verträgen, aus schriftlicher Korrespondenz und anderweitiger (nicht-schriftlicher) Kommunikation, dem allgemeinen Handelsbrauch sowie dem speziellen Unternehmensbrauch zwischen den verbundenen Unternehmen ergeben. Schließlich kann die Risikoverteilung – insbesondere bei Fehlen schriftlicher Vereinbarungen – aus der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Beziehungen und ökonomischen Prinzipien abgeleitet werden.
Rz. 13
Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen. Eine Funktions- und Risikoanalyse ist auf der Grundlage derjenigen Funktionsverteilung vorzunehmen, wie sie sich im Konzern tatsächlich darstellt. Das bedeutet, dass die Funktionen der einzelnen nahestehenden Unternehmen so zu beachten sind, wie sie zwischen den verbundenen Unternehmen wahrgenommen werden, wobei es auf den wirtschaftlichen Gehalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Unternehmens ankommt. Letztlich ist die Konzernleitung frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung der Unternehmensgruppe nach ihrem Ermessen zu gestalten. Die Finanzverwaltung kann nicht die tatsächliche Aufgabenverteilung im Konzern – von Missbrauchsfällen i. S. d. § 42 AO abgesehen – durch eine fiktiv neue Organisationsstruktur bzw. Aufgabenverteilung ersetzen. Sie kann lediglich überprüfen, ob die Preise für den Liefer- und Leistungsaustausch innerhalb dieser vorgefundenen Aufgaben- bzw. Funktionsverteilung sachgerecht festgesetzt wurden. Die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen erstreckt sich neben der Funktionsallokation insbesondere auch auf die Allokation von Risiken, deren tatsächliche Vornahme anhand der in Rz. 12 dargestellten Gesichtspunkte festzustellen ist. Ungeachtet etwaiger vertraglicher Vereinbarungen muss eine – wie auch immer vorgenommene – Risikoverteilung mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen übereinstimmen, so wie sie sich angesichts der tatsächlichen Durchführung der Geschäftsbeziehung darstellen. Insofern ist keine rein rechtliche (nämlich vertragsgemäße), sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für die Feststellung der "wahren" Risikoallokation zwischen den verbundenen Parteien maßgeblich. Die VWG VP stellen in diesem Zusammenhang auf den "wirtschaftlichen Gehalt" der Geschäftsbeziehung ab, die OECD-Leitlinien auf die "kaufmännische Vernunft". Dem steht auch die Dispositionsfreiheit der Konzernleitung über die Verteilung der Risiken im Unternehmensverbund nicht entgegen, denn diese kommt gerade in der Ausgestaltung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zum Ausdruck und nicht etwa in hiervon abweichenden vertraglichen Bestimmungen. Auf die Feststellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse bezogen auf die Risikoverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen ist auch die Überprüfung der vertraglichen Risikoverteilung nach dem tatsächlichen Verhalten der verbundenen Unternehmen gerichtet. Das tatsächliche Verhalten verbundener Vertragspartner ist in Bezug auf Risiken naturgemäß erst dann beobachtbar und feststellbar, wenn sich das betreffende Risiko realisiert.
Die OECD-Leitlinien sehen deshalb Hilfskriterien vor, die das tatsächliche Verhalten in Bezug auf Risiken abbilden sollen. Diese betreffen zum einen die Risikokontrolle und -steuerung und zum anderen die Finanzkraft i. S. einer finanziellen Tragfähigkeit.
Hiernach soll sich das tatsächliche Verhalten anhand der Ausübung der Risikokontrollfunktion und anhand der finanziellen Fähigkeit zur Übernahme der betreffenden Risiken bestimmen.
Entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz ist jedoch zu beachten, dass unverbundene Transaktionspartner nur solche Risiken tragen, die sie kontrollieren können. Hierbei soll "Kontrolle" als die Fähigkeit zur Entscheidung darüber verstanden werden, die infrage stehenden Risiken zu übernehmen und das Ob und Wie ihrer Kontrolle zu bestimmen. Entscheidend ist demgegenüber nicht, welche Partei die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft vornimmt, sondern wer deren Ergebnisse bewertet und aus diesen Entscheidungs- bzw. Handlungsbedarfe abzuleiten und umzus...