Rz. 53
Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Die Regelungen der §§ 138d ff. AO stellen die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben dar. So enthält die Amtshilferichtlinie zwingende Vorgaben für den deutschen Gesetzgeber. Insoweit sind die innerstaatlichen Regelungen daher einer Überprüfung durch das BVerfG entzogen. So ist das für die Überprüfung der Mitteilungspflicht als solche zuständige Gericht grundsätzlich der EuGH. Denn Raum für die Anwendung nationalen Verfassungsrechts besteht nur dort, wo der EU-Normgeber den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume einräumt. Inwiefern solche Umsetzungsspielräume anzuerkennen sind, hängt vom Harmonisierungsgrad des unionsrechtlichen Fachrechts ab. Liegt eine vollständige Harmonisierung vor, ist ausschließlich das Unionsrecht als Maßstab heranzuziehen. Dies sollte für einen Großteil der §§ 138d ff. AO zutreffen, die in enger Orientierung an der DAC6-Richtlinie ausgestaltet sind. Gleichwohl ist die Kompetenzverteilung an diese Feststellung nicht gebunden, sodass auch das BVerfG im Rahmen einer nationalen Verfassungsbeschwerde eine Prüfung am Maßstab der Unionsgrundrechte vornehmen kann. In Zweifelsfällen wird gleichwohl eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV geboten sein.
Rz. 54
Verfassungsrechtliche Bedenken. Dementsprechend wurden verfassungsrechtliche Fragen im Hinblick auf die innerstaatliche Umsetzung bislang kaum erörtert. Gleichwohl sind auch insoweit Bedenken angebracht, die bspw. das gem. Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit und die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen. So greift die erhebliche administrative Mehrbelastung in die Berufsausübungsfreiheit ein. Ferner beeinträchtigt die Pflicht, im Rahmen der Mitteilung Details der steuerlichen Beratung zu offenbaren, das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsträger und Mandant. Das Konzept des Berufsgeheimnisses dient außerdem dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat, welches durch diese Regelung tangiert wird. Darüber hinaus kann aus der Mitteilungspflicht eine Verletzung des gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, konkret des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, resultieren. Dass Gestaltungen, die unter eines der Kennzeichen fallen, über die Mitteilungspflicht inkriminiert werden, betrifft das Recht der steueroptimalen Gestaltung. Zudem könnten die §§ 138d ff. AO gegen den Grundsatz der Normenklarheit, den Gesetzesvorbehalt sowie den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz, sich nicht selbst zu belasten, verstoßen. Schließlich spricht vieles dafür, dass die rückblickende Mitteilungspflicht einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot darstellt.