Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob im hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft angefallene Vorsteuern nachträglich im unternehmerischen Bereich zum Abzug zugelassen werden können bzw. ob eine Vorsteuerberichtigung in Anwendung von Artikel 20 der 6. EG-Richtlinie in Betracht kommen kann.
Die Klägerin ist eine niederländische Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die wasserwirtschaftliche Versorgung des ihr unterstellten Gebietes zur Aufgabe hat. Für die in diesem Rahmen erbrachten Tätigkeiten tritt die Klägerin hoheitlich und damit nicht als Unternehmer auf (Artikel 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie). Die Klägerin hatte eine Kläranlage errichten lassen, die sie im hoheitlichen Bereich nutzte, so dass der Vorsteuerabzug auf die Anschaffungskosten ausgeschlossen war. Die 1990 in Gebrauch genommene Anlage wurde zunächst ausschließlich für hoheitliche Tätigkeiten der Wasserwirtschaft genutzt und mit einem privatrechtlichen Vertrag am 30. Dezember 1994 einer Stiftung übertragen. Diese Übertragung wurde unter Ausübung des Optionsrechts (Artikel 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie) als steuerpflichtige Lieferung behandelt. Aufgrund dieses steuerpflichtigen Umsatzes machte die Klägerin nachträglich einen anteiligen Vorsteuerabzug auf die Anschaffungskosten der Kläranlage in Anwendung von Artikel 20 Abs. 3 erster Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie geltend. Der Antrag wurde von der niederländischen Finanzbehörde mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe im Zeitpunkt der Anschaffung der Kläranlage keinen Vorsteuerabzug gehabt, weil sie als Nichtunternehmer tätig geworden sei, von daher stehe ihr eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht zu.
Entscheidung
Der EuGH hat die Frage, ob die öffentlich-rechtliche Einrichtung einen Anspruch auf Vorsteuerberichtigung hat, mit Bezug auf sein EuGH, Urteil v. 11.7.1991, C-97/90 (Lennartz) - zutreffend - verneint. Mit diesem Urteil war die deutsche Rechtsauffassung bestätigt worden, der zufolge Artikel 20 der 6. EG-Richtlinie nur die Korrektur eines in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs zulässt. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Änderungen der Verwendungsart eines bereits im Unternehmen genutzten Gegenstandes. Die Auffassung, wonach bei Einlage eines Wirtschaftsguts vom privaten in das unternehmerische Vermögen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs zulässig sei, hatte der EuGH zurückgewiesen.
Nach der jetzigen Entscheidung ist auch eine Vorsteuerberichtigung in dem Sinn, dass im hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich angefallene Vorsteuer nachträglich im unternehmerischen Bereich zum Abzug zugelassen werden, nach Artikel 20 der 6. EG-Richtlinie unzulässig. Eine nachträgliche Vorsteuerberichtigung ist - so bestätigt der EuGH - nur möglich, wenn die Wirtschaftsgüter schon bei ihrer Anschaffung zum Unternehmen gehört haben und sich später der für den Vorsteuerabzug maßgebende Verwendungszweck innerhalb des Berichtigungszeitraums von fünf Jahren (bei Grundstücken von zehn Jahren) ändert. Eine Vorsteuerberichtigung gem. Artikel 20 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist nur zulässig, wenn eine Person als Steuerpflichtiger (Unternehmer) Investitionsgüter erwirbt und sie Zwecken ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie zuordnet. Ausgeschlossen ist ein nachträgliches Vorsteuerabzugsrecht somit für den Fall, dass Gegenstände aus einem nichtunternehmerischen (z.B. hoheitlichen) Vermögen in das Unternehmensvermögen eingelegt worden sind.
Hinweis
Es macht nach der Entscheidung keinen Unterschied, ob es sich bei der Person, die ein nachträgliches Vorsteuerabzugsrecht geltend macht, um eine natürliche Person oder um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung handelt. Bereits mit Urteil vom 10.9.2002, C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH) hatte der EuGH entschieden, dass Steuerbefreiungen nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie von der Rechtsform des Unternehmers unabhängig seien. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbiete es insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dieser Grundsatz gilt - so lehrt die jetzige Entscheidung - aber nicht nur für Steuerbefreiungen, sondern wie im vorliegenden Fall auch hinsichtlich eines nachträglichen Vorsteuerabzugsrechts für nichtunternehmerisch erworbene Gegenstände.
Die Auffassung des Vorlagegerichts, dass öffentlich-rechtliche Einrichtungen nach Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich als Unternehmer angesehen werden und von daher ihre hoheitlichen Tätigkeiten mit steuerfreien Leistungen zu vergleichen seien, ist nach der Entscheidung unzutreffend.
Die zweite Frage des Vorlagegerichts, ob auch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung die Möglichkeit hat, Gegenstände, die sie teilweise unternehmerisch und teilweise hoheitlich nutzt, vollständig in ihrem Hoheitsbereich zu belassen und nicht dem Unternehmensvermö...