Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 15
Die aus der grunderwerbsteuerrechtlichen Selbstständigkeit der Gesamthandsgemeinschaften und der grundsätzlichen Irrelevanz des Wechsels in ihrem Personenstand herrührenden Gestaltungsmöglichkeiten, die es unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gestatten, ein Grundstück steuerfrei auf einen anderen Rechtsträger zu übertragen, haben zu erheblichen Missbräuchen geführt. Nach BFH v. 24.4.1996, II R 52/93, BStBl II 1996, 458, galten die für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand entwickelten Grundsätze (vgl. hierzu § 5 GrEStG Rz. 14) auch für die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Für vor dem 1.1.2002 verwirklichte Erwerbsvorgänge war die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG daher nur zu versagen, wenn entsprechend einem vorgefassten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgegeben haben, sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringert hat oder trotz formal unverändert bestehender Beteiligung keine wirtschaftliche Beteiligung am Grundstückswert mehr gegeben ist (vgl. BFH v. 12.6.1996, II R 75/93, BFH/NV 1996, 930). Eine hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zu Entscheidung angenommen (BVerfG v. 10.1.1997, 1 BvR 1748/96, UVR 1997, 138. Vgl. auchBFH v. 10.3.1999, II R 55/97, BFH/NV 1999, 1376). Die gleiche Rechtsfolge hat die formwechselnde Umwandlung einer erwerbenden Personen- in eine Kapitalgesellschaft ausgelöst (BFH v. 18.12.2002, II R 13/01, BStBl II 2003, 358). Nach der Rechtsprechung war eine Frist von 12 bis 15 Monaten fixiert worden, innerhalb derer von einem vorgefassten Plan ausgegangen wurde. Die vorgenannten Grundsätze, nach denen die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG versagt werden konnte, galten für § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG auch nach der Einführung des § 5 Abs. 3 GrEStG zum 1.1.2000 (vgl. § 5 GrEStG Rz. 16ff.) weiter, weil sich eine Analogie in der Anwendung der verschärfenden Regelung des § 5 Abs. 3 GrEStG für § 6 Abs. 3 GrEStG verbietet.
Die unbefriedigende Gesetzeslage hat den Gesetzgeber schließlich zum Handeln veranlasst. Mit der durch das Steueränderungsgesetz 2001 erfolgten Neuaufname des S. 2 in § 6 Abs. 3 GrEStG, die ab 1.1.2002 wirksam geworden ist, wurde bestimmt, dass für nach dem 31.12.2001 verwirklichte Erwerbsvorgänge die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG insoweit nicht zu gewähren ist, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren, seit dem 1.7.2021 10 Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert. Damit wurde im Ergebnis für den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG mit zweijähriger Verzögerung die gleiche Einschränkung über die notwendige Einhaltung einer fünfjährigen Frist wie im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG vorgenommen. Die Neuregelung führt u. a. dazu, dass die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG bei einer doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaft zu versagen ist, wenn sich die Beteiligung der übertragenden Gesamthand an der übernehmenden Gesamthand innerhalb der maßgebenden Fünfjahresfrist reduziert.
Rz. 16
§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG regelt nun den Fall, bei dem sich die Beteiligung des Gesamthänders an der neuen (erwerbenden) Gesamthand innerhalb von 10Jahren nach Übergang des Grundstücks verringert. Mit der Vorschrift wird für diese Fälle die Vergünstigung des § 6 Abs. 1 GrEStG eingeschränkt. Diese ist insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von 10Jahren nach dem Grundstücksübergang vermindert.
Um das von dem Ausschlusstatbestand des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG angestrebte Ziel zu erreichen, knüpft dieser an ein zeitlich dem Eigentumsübergang an den Gesellschaftsgrundstücken vorangehendes Ereignis an. Dieses die Vergünstigung ausschließende Ereignis darf nicht innerhalb einer Frist von10 Jahren vor dem Eigentumsübergang eingetreten sein. Dementsprechend ist für die Fristberechnung vom Zeitpunkt des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs auszugehen und von diesem aus die Frist zurückzuberechnen (BFH v. 27.4.2005, II R 61/03, BStBl II 2005, 649).
Damit ist bereits insofern eine erhebliche Verschärfung eingetreten, als die von der Rechtsprechung fixierte Frist von 12 bis 15 Monaten, innerhalb derer früher von einem vorgefassten Plan ausgegangen wurde, nunmehr auf einen Zeitraum von jetzt 10 Jahren ausgedehnt worden ist. Die für die Praxis leichter handhabbare Regelung wurde wie bei § 5 Abs. 3 GrEStG mit einer erheblichen Verlängerung der Frist erkauft.
A und B sind an der 200...