Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 10
Nach § 7 Abs. 3 GrEStG gelten die Vorschriften des § 7 Abs. 2 GrEStG insoweit nicht, als ein Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb von 5, ab dem 1.7.2021 10 Jahren vor der Umwandlung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 S. 2 GrEStG gilt außerdem insoweit nicht, als die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten 5, jetzt 10 Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist. Es handelt sich hierbei um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, vergleichbar den Missbrauchsverhinderungsnormen des § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 S. 2 sowie Abs. 4 GrEStG. Es soll damit vermieden werden, dass die Grunderwerbsteuer durch eine Kombination des Erwerbs einer gesamthänderischen Mitberechtigung und dem steuerfreien Erwerb gem. § 7 Abs. 2 GrEStG umgangen werden kann. Die Anwendung von § 7 Abs. 3 GrEStG ist jedoch nicht von der Absicht zur Steuerumgehung abhängig; die Voraussetzungen für ihre Anwendung sind schon dann erfüllt, wenn die in der Vorschrift bezeichneten äußeren Umstände tatsächlich vorliegen.
Als Missbrauchsverhinderungsnorm verlangt § 7 Abs. 3 GrEStG – ebenso wie § 6 Abs. 4 GrEStG – eine einschränkende Auslegung. Die Steuervergünstigung des § 7 Abs. 2 GrEStG kann danach nicht schon deshalb versagt werden, weil die veräußernde Gesamthand noch keine 5, jetzt 10 Jahre vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat. Der Sperrfrist kommt in diesen Fällen dann keine Bedeutung zu, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand seit dem Erwerb des Grundstücks nicht verändert haben (vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 26.2.2015, 15 K 4223/10, EFG 2015, 943). Insoweit gelten auch hier die vom BFH zur Anwendung des § 6 Abs. 4 GrEStG aufgestellten Grundsätze (vgl. hierzu BFH v. 25.2.1969, II 142/63, BStBl II 1969, 400; BFH v. 14.6.1973, II R 37/72, BStBl II 1973, 802; BFH v. 16.7.1997, II R 27/95, BStBl II 1997, 663; zur einschränkenden Auslegung des § 6 Abs. 4 GrEStG siehe § 6 GrEStG Rz. 20). Die einschränkende Auslegung der Missbrauchsverhinderungsnorm des § 7 Abs. 3 GrEStG soll jedoch in Fällen, in denen die veräußernde Gesamthand noch keine 5, jetzt 10 Jahre vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat, dann keine Anwendung finden, wenn sich die Gesellschafter erst nach dem Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand an dieser beteiligt haben, sich also die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand erst nach dem Grunderwerb geändert haben (vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 26.2.2015, 15 K 4223/10, n. v. ). Der BFH hat mit Urteil v. 20.2.2019, II R 28/15, entschieden, und die Sache zurückverwiesen. Die Anwendung des § 7 GrEStG hat er indes zu Recht abgelehnt mit der zutreffenden Begründung, privilegiert sei nicht der Erwerb von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück.
An einer von § 7 Abs 3 GrEStG vorausgesetzten Steuerumgehungsmöglichkeit fehlt es, wenn der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung der Grunderwerbsteuer unterlegen hat. Entsprechende grunderwerbsteuerrechtlich relevante Veränderungen im Gesellschafterbestand werden durch § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst. Ebenso wie bei Anwendung des § 6 Abs. 4 GrEStG kommt es auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesamthand und dessen Verweildauer im gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Gesamthand nicht an (vgl. BFH v. 11.11.1953, II 167/53 S, BStBl III 1953, 372). Auch nach dem Grundstückserwerb eintretende Wertveränderungen sind ohne Bedeutung (BFH v. 6.3.1991, II R 133/87, BStBl II 1991, 532). Eine objektive Missbrauchsmöglichkeit kommt auch bei Anteilserwerben von Todes wegen oder bei Schenkungen unter Lebenden nicht in Betracht (vgl. das zu § 5 Abs. 3 GrEStG ergangene Urteil des BFH v. 7.10.2009, II R 58/08, BStBl II 2010, 302). Diese Beurteilung gilt ebenso für Fälle, in denen der Anteil an der Gesamthand von einem Verwandten in gerader Linie oder vom Ehegatten stammt. Die zeitliche Dauer der dinglichen Mitberechtigung dieser Personen am Gesamthandsgrundstück ist entsprechend § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG beim Erwerber des Anteils mitzuberücksichtigen.