Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 1
Nach der Systematik des GrEStG ist der Wert der Gegenleistung das in erster Linie maßgebende Kriterium für die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Nach ihr bestimmt sich regelmäßig die Höhe der Steuer. Nur wenn eine Gegenleistung ausnahmsweise nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GrEStG) sowie in den ausdrücklich in § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 u. 3 GrEStG genannten Fällen (Umwandlungen, Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, Tatbestände des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG), tritt an ihre Stelle als "Ersatzbemessungsgrundlage" der Grundbesitzwert.
Dem Verständnis der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung liegt als Ausgangspunkt zwar der entsprechende bürgerlich-rechtliche Begriff zugrunde (vgl. BFH v. 16.2.1977, II R 89/74, BStBl II 1977, 671, unter Hinweis noch auf die Begründung zum GrEStG 1940 in RStBl I 1940, 387, 405, rechte Spalte), nach dem unter Gegenleistungen Leistungen zu verstehen sind, die eine Vertragspartei regelmäßig sowohl dem Umfang als auch der Beschaffenheit nach völlig und gehörig zu bewirken hat, um von der anderen Vertragspartei Zug um Zug die ihr geschuldete Leistung verlangen zu können (vgl. § 298 BGB). Der Gesetzgeber hat aber diesen zivilrechtlichen Begriff der grunderwerbsteuerrechtlichen Regelung nicht zugrunde gelegt. Er hat vielmehr einen eigenständigen Gegenleistungsbegriff entwickelt. Die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung ist dabei teilweise enger, teilweise aber auch erheblich weiter gefasst worden als die zivilrechtliche Definition.
Die Eigenständigkeit des grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs kommt auch in § 9 GrEStG selbst zum Ausdruck. Bei der dort verwendeten Formulierung "Als Gegenleistung gilt" handelt es sich nicht um eine auf den jeweiligen Aussagebereich beschränkte Fiktion, sondern um eine Legaldefinition der Erweiterung des grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausreicht, der auf Vorgänge rechtsgeschäftlicher Art hinwies. Er ist auch weiter als der im GrEStG 1919 verwendete Begriff des Veräußerungspreises (vgl. BFH v. 17.9.1975, II R 42/70, BStBl II 1976, 126; BFH v. 16.2.1977, II R 89/74, BStBl II 1977, 671, und BFH v. 18.7.1979, II R 59/73, BStBl II 1979, 683).
Entgegen der zivilrechtlichen Sichtweise gehören z. B. bereits nach dem Wortlaut des § 9 GrEStG die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen zur Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), während die Übernahme der auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten nicht zur Gegenleistung gehört (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 GrEStG).
Rz. 1a
§ 9 Abs. 1 GrEStG bestimmt die Gegenleistung für die wichtigsten Arten der Grundstücksgeschäfte. Der in § 9 Abs. 1 GrEStG enthaltenen Aufzählung kann nicht entnommen werden, dass es in den dort nicht genannten Fällen eine Gegenleistung nicht geben könnte. Die spezifischen Definitionen und Zurechnungen des § 9 GrEStG gelten sinngemäß auch für Grundstücksgeschäfte, die nicht in der Aufzählung genannt werden (vgl. BFH v. 17.9.1975, II R 42/70, BStBl II 1976, 126).
Der Gegenleistungsbegriff ist nicht auf gegenseitige Verträge beschränkt. Eine Gegenleistung kann vorhanden sein, bei einem Erwerb in der Zwangsversteigerung (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) oder beim Grundstücksbeschaffungsauftrag. Bei einem solchen Auftraghat der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen Vorschuss zu leisten (§ 669 BGB) und dem Auftragnehmer die Aufwendungen zu ersetzen, die zur Ausführung des Auftrags erforderlich waren (§ 670 BGB). Der Auftragnehmer ist seinerseits zur Herausgabe des Grundstücks verpflichtet (§ 667 BGB). Diese Herausgabeverpflichtung beruht nicht auf vertraglicher Vereinbarung, sondern ist eine gesetzliche Folge des Auftragsverhältnisses. Die Zahlungen des Auftraggebers stellen bürgerlich-rechtlich keine Gegenleistung dar. Sie sind jedoch Gegenleistung i. S. d. Grunderwerbsteuerrechts (§ 8 Abs. 1 GrEStG, vgl. BFH v. 16.2.1977, II R 89/74, BStBl II 1977, 671).
Schließlich werden zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung auch von der synallagmatischen Verknüpfung nicht erfasste Leistungen an oder von Dritten gerechnet (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 GrEStG). Zum Verzicht des Käufers auf eine ihm durch das funktionelle Synallagma (§§ 320, 322 BGB) vermittelte Rechtsposition vgl. FG Berlin v. 7.5.1998, 1 K 1610/97, EFG 1998, 1353.
Abweichungen des grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs gegenüber dem Zivilrecht ergeben sich auch aus der Systematik des GrEStG, insbesondere aus den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. So ist abweichend vom bürgerlichen Recht z. B. auch beim Eigentumsübergang kraft Gesetzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) eine Gegenleistung anzunehmen, die aus begleitenden Rechtsakten (z. B. dem Vertrag über die Übertragung von Anteilen oder dem Verschmelzungsvertrag, vgl. z. B. BFH v. 18.7.1979, II R 59/73, BStBl II 1979, 683) entnommen werden kann.
Rz. 1b
Die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung unterscheidet s...