Leitsatz
Sind Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden, wirkt die Auszahlung des Erstattungsbetrags an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Das Finanzamt darf demgegenüber den Erstattungsbetrag dann nicht mehr an den materiell nicht erstattungsberechtigten Ehegatten auszahlen, wenn es erkennt oder erkennen muss, dass der andere Ehegatte mit dieser Verfahrensweise aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden ist. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Ehegatte die Erstattung an den anderen Ehegatten nicht billigt. Dann ist die widerlegbare gesetzliche Vermutung hinsichtlich einer Einziehungsvollmacht des einen Ehegatten für den anderen Ehegatten widerlegt und das Finanzamt wird bei Auszahlung an den anderen Ehegatten von seiner Zahlungspflicht gegenüber dem materiell Erstattungsberechtigten nicht frei.
Sachverhalt
Für das Kalenderjahr 2000 wurde der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Bei der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 2001 ergab sich ein Erstattungsanspruch von 11.590 DM an ESt und von 645 DM an SolZ zu Gunsten des Klägers und seiner Ehefrau. Nachdem die Eheleute ab März 2002 dauernd getrennt leben, überwies das Finanzamt in Abänderung der in der gemeinsamen ESt-Erklärung angegebenen Bankverbindung die Erstattungsbeträge an ein anderes Bankinstitut, welches dem Finanzamt zuvor vom Kläger schriftlich mitgeteilt wurde. Nachdem die Ehefrau des Klägers das Finanzamt darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass sie von der Änderung der Bankverbindung gegenüber dem Finanzamt nichts gewusst habe und auch nicht damit einverstanden sei, erließ das Finanzamt gegenüber der Ehefrau des Klägers einen Abrechnungsbescheid über 3.902 DM an ESt und SolZ und in gleicher Höhe gegenüber dem Kläger einen Rückforderungsbescheid.
Entscheidung
Der angefochtene Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat die streitgegenständliche Steuererstattung nicht ohne rechtlichen Grund erhalten. Der ursprünglich an den Kläger voll ausgezahlte Erstattungsbetrag durfte an diesen auch mit Wirkung für und gegen die Ehefrau ausgezahlt werden. Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirkt bei Ehegatten, die nach §§ 26, 26b EStG zusammen zur ESt veranlagt werden, die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Aufgrund der sich während des Verfahrens widersprechenden Zeugenaussagen konnte das Gericht zwar den genauen Sachverhalt nicht gänzlich aufklären, stellte jedoch fest, dass im November 2001 die Auszahlung seitens des Finanzamtes veranlasst wurde und zu diesem Zeitpunkt der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen zur ESt veranlagt wurde. Die nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG enthaltene widerlegbare gesetzliche Vermutung einer Einziehungsvollmacht des einen Ehegatten für den anderen Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung ist im Streitfall nicht widerlegt.
Hinweis
Vor allem in Ehescheidungsverfahren, bei welchen noch gemeinsame Steuererstattungsansprüche aus vergangenen Veranlagungszeiträumen offen stehen, muss geklärt werden, wem diese Erstattungsansprüche tatsächlich zustehen, um im Anschluss daran das Finanzamt durch eine (wenn möglich) von beiden Ehegatten eingereichte Erklärung in Kenntnis zu setzen.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.02.2004, 1 K 351/02