Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Ist aufgrund wirksamer schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen einander nicht nahe stehenden Personen das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen einer GmbH übergegangen und werden die schuldrechtlichen Vereinbarungen nachträglich unwirksam, dann bleibt der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Beteiligten die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts nicht rückgängig machen.
Normenkette
§ 17 EStG , § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO , § 41 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger und I waren jeweils mit 50 % am Stammkapital der U-GmbH beteiligt; die Beteiligung für den Kläger hielt I als Treuhänder. Im Oktober 1996 veräußerte I die Beteiligungen an die E-GmbH. Der Kaufpreis war zu einem Drittel noch 1996 und hinsichtlich des Rests bei Eintritt bestimmter Bedingungen, spätestens aber am 31.10.1997 fällig. Die im Kaufvertrag vereinbarte Abtretung der Anteile war bis zur Zahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt.
Die E-GmbH bestellte ihren Geschäftsführer Jü unter Abberufung von I auch zum Geschäftsführer der U-GmbH und veräußerte einen Teil der Anteile an der U-GmbH an M. Den Restkaufpreis beglich sie am 31.10.1997 nicht.
Daraufhin berief I als noch alleiniger Gesellschafter der U-GmbH am 3.11.1997 Jü und M als Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst wieder zum Geschäftsführer. Am 10.11.1997 bestätigten die Vertragsparteien das Geschäft; der Kaufpreis für die Anteile wurde einvernehmlich herabgesetzt und von der E-GmbH umgehend entrichtet.
Das FA erfasste den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile im Streitjahr 1996, der Kläger vertrat die Ansicht, dass er den Gewinn erst 1997 versteuern müsse. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Der BFH ging davon aus, dass der Kläger bereits 1996 wirtschaftlicher Eigentümer geworden sei. Der zivilrechtlich vereinbarte Eigentumsvorbehalt hindere den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums an den Beteiligungen grundsätzlich nicht. Ein vorbehaltenes Stimmrecht sei bei bedingter Veräußerung auch dann im Interesse des Erwerbers auszuüben (§ 160 Abs. 1, § 161 Abs. 1 BGB), wenn das Vorbehaltseigentum der Sicherung des Kaufpreises diene.
Werde der Kaufpreis nicht termingerecht bezahlt, sei der Erwerb zwar zivilrechtlich unwirksam; steuerrechtlich sei aber zu beachten, dass die Vertragspartner an dem Rechtsgeschäft festgehalten hätten. Davon sei ungeachtet dessen auszugehen, dass I nach dem Wegfall der Bedingung sofort mit der Rückabwicklung des Geschäfts begonnen habe. Entscheidend sei, dass die Vertragsparteien die ursprüngliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen letztlich bestätigt hätten.
Hinweis
Ich verweise zunächst auf die Besprechung des Urteils vom 17.2.2004, VIII R 26/01 in BFH-PR 2004, 309. Wie in diesem Fall musste sich der BFH auch im vorliegenden Fall mit der Frage befassen, in welchem Verhältnis die Rechtsfolge "wirtschaftliches Eigentum" (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) und die Rechtsfolge "Unerheblichkeit eines zivilrechtlich unwirksamen Geschäfts für die Besteuerung" (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO) zueinander stehen. In beiden Fällen konnte der BFH darauf verweisen, dass die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Eigentums bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bereits hinreichend geklärt seien. In beiden Fällen waren diese Voraussetzungen (insbesondere der Übergang des Gewinnbezugsrechts und des Stimmrechts) wegen der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Veräußerungsgeschäfts nicht gegeben und damit für die Vertragspartner nicht verbindlich.
Die beiden Fälle unterscheiden sich letztlich nur dadurch, dass sich das Urteil VIII R 26/01 mit den steuerrechtlichen Folgen einer von vornherein – wegen Formnichtigkeit – unwirksamen Veräußerung befassen musste, während das Veräußerungsgeschäft im vorliegenden Fall nachträglich unwirksam wurde, weil der Erwerber die vorbehaltene Bedingung – termingerechte Zahlung des Kaufpreises – nicht erfüllte. Hätte der Veräußerer hier das Geschäft rückabgewickelt, wäre auch der Veräußerungsgewinn rückwirkend entfallen und damit nicht schon im Streitjahr zu erfassen gewesen (BFH, Urteil vom 19.8.2003, VIII R 67/02, BStBl II 2004, 107, BFH-PR 2004, 83). Das hat er jedoch nicht getan; er hat vielmehr nur vorübergehende Schritte zur Rückabwicklung eingeleitet, den Vertrag dann aber nach Herabsetzung des Kaufpreises doch bestätigt. Damit treffen sich die beiden Fälle im Ergebnis wieder: Die Vertragspartner haben das Rechtsgeschäft ungeachtet der Unwirksamkeit des ursprünglichen Vertrags im wirtschaftlichen Ergebnis bestehen lassen. Damit war es der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.2.2004, VIII R 28/02