Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb (in Gestalt einer logischen Sekunde) hat nicht zwangsläufig auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb i.S.d. Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Zuordnung nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beurteilen.
2. Für die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO kommt es entscheidend auf das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände; daher ist eine – nicht reale – logische Sekunde als lediglich gedankliche Hilfskonstruktion für eine solche tatsächliche Feststellung unerheblich.
Normenkette
§ 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO, § 17 Abs. 1 S. 1, 4 EStG, § 127 FGO
Sachverhalt
Vieles ist uns schon aus den Praxis-Hinweisen bekannt: K erwarb am 15.10.1999 einen Anteil von 7 500 DM (= 15 %) an der T-GmbH. Bereits tags zuvor hatte er mit seiner Ehefrau E einen Unterbeteiligungsvertrag betreffend die zu erwerbende Beteiligung geschlossen. Begründet wurde ein atypisches Unterbeteiligungsverhältnis der E an dem Geschäftsanteil des K i.H.v. 5,1 %. Am 14.06.2001 veräußerte K seine Beteiligung für 1,5 Mio. Der Kaufpreis wurde i.H.v. 990 000 DM auf das Konto des K und i.H.v. 510 000 auf das Konto der E gezahlt.
Das FA erfasste bei K einen Veräußerungsgewinn von 985 050 DM, weil er innerhalb der letzten fünf Jahre über 10 % an der T-GmbH beteiligt gewesen sei. Hiergegen wandte sich K zunächst erfolglos. Das FG Köln wies seine Klage ab (FG Köln, Urteil vom 03.06.2008, 1 K 1712/04, Haufe-Index 2153858, EFG 2009, 932).
Entscheidung
Der BFH beurteilte die Revision des K als begründet, hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. K war danach mit 9,9 % nicht qualifiziert beteiligt gewesen. Allein das zivilrechtliche Eigentum für eine logische Sekunde im Durchgangserwerb vermittelt kein wirtschaftliches Eigentum.
Hinweis
Diese Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb (in einer logischen Sekunde) z.B. bei einer Unterbeteiligung dazu führen kann, den für die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 17 EStG erforderlichen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zu vermitteln.
1. Nach § 17 Abs. 1 EStG muss der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt gewesen sein (im Streitfall galt die 10 %-Grenze). Wenn nun unser K diese Grenze vermeiden möchte und bereits vor dem Erwerb des Gesellschaftsanteils seine Ehefrau E zu 5,1 % unterbeteiligt (dann hat er selbst bei Erwerb nur noch Anteile von 9,9 % und damit weniger als 10 %), dann ist dagegen – wenn, wie hier, der Vertrag auch steuerrechtlich anzuerkennen ist – zunächst nichts zu sagen. Aber entsteht hier nicht zivilrechtlich ein Durchgangserwerb in der Person des K, sodass er innerhalb der letzten fünf Jahre doch wieder über 10 % beteiligt ist (nämlich in einer logischen Sekunde 15 %)?
2. Eine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG wird mit der Übertragung des Eigentums an den Anteilen durch den Veräußerer an den Erwerber verwirklicht. Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung der Beteiligung ist das wirtschaftliche Eigentum, allein das zivilrechtliche Eigentum reicht nicht aus (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Was bedeutet dies für einen Durchgangserwerb, bei dem das zivilrechtliche Eigentum für eine sog. logische Sekunde dem Hauptbeteiligten K zusteht und erst über diesen Weg auf die Unterbeteiligte E gelangt? Zwar reicht bei § 17 EStG auch ein nur kurzfristiges Innehaben der qualifizierten Beteiligung aus, indes muss der Erwerber das wirtschaftliche Eigentum erlangt haben.
3. Das wirtschaftliche Eigentum erlangt derjenige nicht, der im Durchgangserwerb für eine logische Sekunde zivilrechtlicher Eigentümer geworden ist. Die logische Sekunde ist im Zivilrecht nur eine gedankliche Hilfskonstruktion zur Prioritätsbestimmung für gleichzeitig stattfindende Vorgänge (z.B. bei der Konkurrenz von Pfandrechten, insbesondere Vermieterpfandrecht) und kein realer Zeitpunkt. Kommt es aber steuerrechtlich entscheidend auf das wirtschaftlich und tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände, ist eine nicht reale logische Sekunde für die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums unerheblich.
4. Erwirbt also unser K eine Beteiligung von 15 %, hat er aber zuvor E eine steuerlich anzuerkennende Unterbeteiligung von 5,1 % daran eingeräumt, erwirbt er das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung i.H.v. 9,9 %.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.01.2011 – IX R 7/09