1 Arbeitsrecht
1.1 Betriebsrat darf Schwerbehinderung Beschäftigter erfragen
BAG, Beschluss v. 9.5.2023, 1 ABR 14/22, Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 20.5.2022, 12 TaBV 4/21
Die Aufgaben des Betriebsrats sind vielfältig. Unter anderem soll er die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb fördern. Muss der Arbeitgeber ihm daher für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung die konkreten Namen aller schwerbehinderten oder ihnen gleich gestellten Mitarbeitenden im Unternehmen nennen? Und was gilt, wenn diese das überhaupt nicht wünschen?
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Immer wieder kommt es hier zu Streitigkeiten, insbesondere wenn es um die Auskunft über "sensitive Daten" geht. Das Bundesarbeitsgericht entschied vorliegend zugunsten des Betriebsrats. Dieser müsse um die Schwerbehinderteneigenschaft von Beschäftigten wissen, um seine Aufgaben wahrnehmen zu können.
1.2 3 Europaletten mitgenommen: Kündigung unwirksam
LAG Köln, Urteil v. 6.7.2023, 6 Sa 94/23; Vorinstanz: Arbeitsgericht Siegburg, Urteil v. 11.1.2023, 4 Ca 697/22
Mit einer fristlosen Kündigung zu reagieren, ist zumeist das richtige Mittel, wenn Arbeitnehmende sich schwere Pflichtverletzungen zuschulden kommen lassen - insbesondere dann, wenn sie von strafrechtlichem Belang sind. Im Einzelfall kann eine fristlose Kündigung jedoch unverhältnismäßig sein.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln konnte im vorliegenden Fall wenig kriminelle Energie darin erkennen, dass ein langjähriger Arbeitnehmer 3 Europaletten vom Betriebshof mitnahm, um sie beim Osterfeuer des örtlichen Fußballvereins zu verbrennen. Unabhängig davon, ob es sich um neuwertige Paletten - so der Arbeitgeber - oder um alte, beschädigte - so der Arbeitnehmer - handelte, erschien dem Gericht das Gesamtbild der Tat zu banal, als dass nicht eine Abmahnung ausgereicht hätte.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Wie können die Aufwendungen für die Überlassung von Ferienimmobilien geltend gemacht werden?
BFH, Urteil v. 17.8.2023, III R 59/20
Für Ferienimmobilienanbieter kann die aktuelle Entscheidung des BFH eine hohe Gewerbesteuerbelastung auslösen. Vertragliche Verhältnisse sollten eingehend geprüft und vor dem Hintergrund der BFH-Grundsatzentscheidung hinterfragt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diese Entscheidung in allen offenen Fällen anwendet oder Übergangsregelungen im Billigkeitswege bestimmen werden.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Kapitalvermögen: Stellt der Ausfall eines Gesellschafterdarlehens einen Verlust dar?
FG Düsseldorf, Urteil v. 19.1.2023, 14 K 1638/20 E
Das Finanzamt hat die vom FG zugelassene Revision beim BFH eingelegt, Az beim BFH IX R 12/23. Damit kann sich der BFH neben der Frage, ob ein Auflösungsverlust bereits im Jahr 2016 hinreichend feststand, insbesondere auch damit befassen, ob ein Wahlrecht für einen Abzug des Verlustes als Einkünfte nach § 17 EStG bzw. nach § 20 EStG besteht.
4 Land- und Forstwirtschaft
4.1 Ist die Höhe der Säumniszuschlag ab 2019 verfassungsgemäß?
BFH, Beschluss v. 13.9.2023, X B 52/23 (AdV)
Den offensichtlichen Meinungsstreit zwischen den unterschiedlichen Senaten des BFH löst der X. Senat elegant. Er vertritt die Auffassung, dass durch die Hauptsachenentscheidung des BFH v. 15.11.2022 in der Rechtssache VII R 55/20 die im AdV-Verfahren abweichend ergangenen Entscheidungen des III., V. und VIII. Senats überholt seien.
Einer Anrufung des GrS des BFH wegen dieser Rechtsfrage bedurfte es nicht, da im AdV-Verfahren keine abschließende Beantwortung der strittigen Rechtsfrage erfolgt (BFH, Beschluss v. 11.11.2022, VIII B 64/22 (AdV)).
Einer grundsätzlichen Klärung bedarf es dennoch, weil kurz nach Ergehen des Beschlusses des X. Senats der VIII. Senat des BFH mit Beschluss v. 22.9.2023 (VIII B 64/22 (AdV)) erneut ernstliche Zweifel an der Höhe der nach dem 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge geäußert hat. Diesen Widerspruch zur Auffassung des VII. und X. Senats des BFH gilt es, grundsätzlich aufzuklären. Gegenwärtig scheint es bei der ADV von Säumniszuschlägen auf den BFH-Entscheidungssenat anzukommen.
5 Lohn & Gehalt
5.1 Zur Berechnung des Grundlohns bei steuerfreien Zuschlägen
BFH, Urteil v. 10.8.2023, VI R 11/21
Für die Zahlung steuerfreier Zuschläge nach § 3b EStG ist die Höhe des Grundlohns von maßgeblicher Bedeutung. Zum Grundlohn zählt nur der laufende Arbeitslohn – nicht aber sonstige Bezüge (zur Abgrenzung s. R 39b.2 LStR 2023). Dieser Abgrenzung kommt eine hohe Bedeutung zu. Ob der laufende Arbeitslohn in Form von Barlohn oder Sachlohn erbracht wird, ist unerheblich.
Steuerfreie und pauschal besteuerte Bezüge wirken sich grundsätzlich nicht auf die Höhe des Grundlohns aus. Eine Aufnahme gilt aber für steuerfreie Beiträge des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 56 bzw. 63 EStG. Über die bisherige Richtlinienregelung hinaus werden vom BFH auch die vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge zugunsten eines internen Versorgungsträgers (Entscheidungsfall: Beiträge zu Gunsten einer Unterstützungskasse) in den Grundlohn einbezogen, sofern die Beitragsleistung aus einer Entgeltumwandlung stammt. Abzuwarten bleibt, ob dies selbst dann gilt, wenn die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zur Unterstützungskasse zusätzlich zum ohnehin erbrachten Arbeitslohn erbracht wird.
6 Sonstige Steuern
6.1 Familienheim: Umfang der Steuerbegünstigung bei mehreren Grundstücken
Niedersächsisches FG, Urteil v. 12.7.2023, 3 K 14/23
Nur das tatsächlich bebaute Grundstück oder die bebaute Teilfläche kann in die Begünstigung einfließen. Diese Prüfung obli...