Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Schließlich verbietet § 176 Abs. 2 AO, bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Stpfl. zu berücksichtigen, dass ein oberster Gerichtshof des Bundes eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet hat. Eine bloße allgemeine Verwaltungsübung vermittelt indessen keinen Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO (BFH v. 29.08.2012, I R 65/11, BStBl II 2013, 555; Loose in Tipke/Kruse, § 176 AO Rz. 20). Wegen der Bezugnahme auf die Begriffe "Aufhebung" und "Änderung" gilt § 176 Abs. 2 AO für den Erlass erstmaliger Steuerbescheide nicht (z. B. BFH v. 27.08.2014, II R 43/12, BStBl II 2015, 241).

 

Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verwaltungsvorschriften sind bspw. Richtlinien oder Erlasse. Verfügungen der OFD fallen hingegen nicht unter § 176 Abs. 2 AO, da die OFD keine oberste Landesbehörde ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 FVG; BFH v. 11.10.1988, VIII R 419/83, BStBl II 1989, 284). Im Einzelnen s. § 4 AO Rz. 22 ff.

 

Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Vertrauen wird nur geschützt, wenn die Verwaltungsvorschriften veröffentlicht wurden. Die Veröffentlichung muss nicht in den amtlichen Publikationsorganen erfolgen, sondern der Abdruck in Fachzeitschriften ist ausreichend. Vertrauen in den Bestand einer Verwaltungsvorschrift kann sich nach dem BFH (BFH v. 21.04.2005, III B 40/04, BFH/NV 2005, 1480) regelmäßig nicht bilden, wenn die Verwaltungsregelung schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses im groben Widerspruch zur Rspr. des BFH stand.

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 176 Abs. 2 AO bezieht sich nicht nur auf Fälle, in denen ein oberster Gerichtshof des Bundes (s. Rz. 16) eine allgemeine Verwaltungsvorschrift ausdrücklich als nicht mit dem geltenden Recht vereinbar bezeichnet, sondern auch auf solche Entscheidungen, in denen diese Unvereinbarkeit sinngemäß zum Ausdruck kommt (BFH v. 28.09.1987, VIII R 154/86, BStBl II 1988, 40; BFH v. 20.08.1997, X R 58/93, BFH/NV 1998, 314; Loose in Tipke/Kruse, § 176 AO Rz. 22). Hat z. B. der BFH festgestellt, dass Bestimmungen der EStR eine durch das Gesetz (EStG) nicht gedeckte Gesetzesauslegung beinhalten, ergibt sich hieraus zwar die Rechtswidrigkeit aller mit der entsprechenden Bestimmung der EStR im Einklang stehenden Verwaltungsakte; die Finanzbehörde darf jedoch auch dann keine für den Stpfl. ungünstigen Folgerungen ziehen, wenn dies nach den übrigen Verfahrensvorschriften (z. B. gem. § 177 AO) zulässig wäre (BFH v. 28.10.1992, X R 117/89, BStBl II 1993, 261).

 

Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird eine der Rspr. entgegenstehende, begünstigende Verwaltungsvorschrift von der Finanzverwaltung für eine Übergangszeit gegenüber allen Stpfl. angewendet, dann steht dem Erlass eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheids der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO entgegen (BFH v. 24.09.1998, IV R 65/96, BStBl II 1999, 46; BFH v. 23.10.2014, V R 11/12, BStBl II 2015, 973). Ausgehend von der Prämisse, ein Pauschalierungsbescheid ändere die LSt-Anmeldung (BFH v. 15.05.1992, VI R 183/88, BStBl II 1993, 829), gewährt der BFH (BFH v. 17.11.1992, VIII R 25/89, BStBl II 1993, 146) folgerichtig auch insoweit Vertrauensschutz. Hingegen gilt § 176 Abs. 2 AO nicht für den Fall, dass das BMF oder eine oberste Landesfinanzbehörde eine Verwaltungsvorschrift aufhebt oder ändert (BFH v. 11.10.1988, VIII R 419/83, BStBl II 1989, 284). In dieser Konstellation kommen Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO in Betracht.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge