A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei Treuhandverhältnissen können Unklarheiten über die Zurechnung von Rechten und Sachen entstehen (BFH v. 04.12.1996, I R 99/94, BStBl II 1997, 404), die die Finanzbehörde bei Anwendung üblicher Beweislastregelungen nicht oder nur erschwert lösen kann. Die Vorschrift bezweckt, Steuerausfälle zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass die steuerliche Zurechnung von Rechten oder Sachen nicht geklärt werden kann. Sie enthält eine steuerrechtliche, über die allgemeine objektive Beweislast (Feststellungslast) hinausgehende Beweisführungslastregelung, die nur dann nicht eingreift, wenn die Person nachgewiesen wird, der das Recht oder die Sache tatsächlich zuzurechnen ist (BFH v. 13.11.1985, I R 7/85, BFH/NV 1986, 638). Sie beruht auf der besonderen Nähe des Stpfl. zum behaupteten Sachverhalt (Seer in Tipke/Kruse, § 159 AO Rz. 2). Sie begründet außerdem – ähnlich wie § 160 AO – eine Gefährdungshaftung (BFH v. 04.12.1996, I R 99/94, BStBl II 1997, 404). Sie ist unabhängig vom Vorhandensein eines Auslandsbezugs anwendbar (BFH v. 24.10.2006, XI B 112/05, BFH/NV 2007, 201).
Tz. 1a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 159 AO erfordert ein zweistufiges Vorgehen mit doppelter Ermessensausübung. In der ersten Stufe entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es vom Stpfl. den Nachweis verlangt, wem die Rechte oder Sachen, die formal ihm zuzurechnen sind und von denen er behauptet, sie nur als Treuhänder, Vertreter eines anderen oder Pfandgläubiger innezuhaben oder zu besitzen, gehören. In der zweiten Stufe entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es bei Nichtnachweis fremder Inhaberschaft die Rechte oder Sachen dem Stpfl. zurechnet.
Tz. 1b
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift ist auf alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen im Rahmen des § 1 AO anwendbar, ferner auch für Ein- und Ausfuhrabgaben und Abschöpfungen, da der ZK und der UZK keine § 159 AO verdrängende Vorschrift enthalten, hat aber wegen der Anknüpfung an das tatsächliche Verbringen und wegen Art. 5 ZK bzw. Art. 18 – 21 UZK keine praktische Bedeutung (Schmieszek in Gosch, § 159 AO Rz. 5 m. w. N.). Sie ist im Steuerstrafrecht nicht anwendbar (h. M., u. a. Schmieszek in Gosch, § 159 AO Rz. 5 m. w. N.).
B. Beweislastregelung (§ 159 Abs. 1 Satz 1 AO)
I. Nachweispflicht
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Grundsatz, dass Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen sind (§ 39 Abs. 1 AO), wird dahingehend durchbrochen, dass die Wirtschaftsgüter bei Treuhandverhältnissen dem Treugeber zuzurechnen sind (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). Behauptet jemand, auf seinen Namen lautende Rechte oder in seinem Besitz befindliche Sachen habe er inne oder besitze sie als Treuhänder, Vertreter eines anderen oder als Pfandgläubiger, so hat er auf Verlangen der Finanzbehörde nachweisen, wer Inhaber der Sache oder des Rechts ist, ohne dass dadurch die behördliche Befugnis, selbst den Sachverhalt zu ermitteln, eingeschränkt wird. Betroffen ist jede Art von Stellvertreterschaft sowie auch der Sicherungseigentümer.
Tz. 3
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§ 159 Abs. 1 Satz 1 AO setzt nicht voraus, dass der Besitz oder die Inhaberschaft des Stpfl. im Zeitpunkt der Aufforderung durch das FA noch bestehen oder dass sie dauerhaft sind (BFH v. 04.12.1996, I R 99/94, BStBl II 1997, 404). Das Benennungsverlangen kann aber nur für Zeiträume oder -punkte ausgeübt werden, für die der Stpfl. den Besitz oder die Inhaberschaft behauptet.
Tz. 4
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Der Nachweis ist auf Verlangen der Finanzbehörde zu führen. Sie hat insoweit eine – erste – Ermessensentscheidung (§ 5 AO) zu treffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuerausfälle durch die Behauptung von Gestaltungen, die von der Finanzbehörde schwer ermittelbar sind, vermieden werden sollen.
Tz. 5
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Das Nachweisverlangen ist – wie das Benennungsverlangen nach § 160 AO (daher s. § 160 AO Rz. 13) – m. E. Verwaltungsakt und nicht bloß eine Vorbereitungshandlung für die Steuerfestsetzung (ebenso Seer in Tipke/Kruse, § 159 AO Rz. 18; Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 159 AO Rz. 31; a. A. unter Bezugnahme auf die Rspr. zu § 160 AO: Schmieszek in Gosch, § 159 AO Rz. 19; Rüsken in Klein, § 159 AO Rz. 9, dazu s. § 160 AO Rz. 13). Seine Rechtmäßigkeit kann daher nur in einem eigenständigen Rechtsbehelfsverfahren gegen das Benennungsverlangen, nicht aber im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Steuerbescheid, der die Folgen des Nichtnachweises enthält, überprüft werden (s. § 160 AO Rz. 29).
Tz. 6
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Die Erfüllung der Nachweispflicht verlangt die Benennung des Rechtsinhabers und des Rechtsgrundes seiner Rechtsinhaberschaft, insbes. bei einem nachgeordneten Treuhänder (BFH v. 13.11.1985, I R 7/85, BFH/NV 1986, 638) oder bei mehreren Treugebern auch die Angabe, welche Sache bzw. welches Recht in welchem Umfang wem gehört (BFH v. 04.12.1996, I R 99/94, BStBl II 1997, 404). Nicht allein Wortlaut sowie Sinn und Zweck der von den Vertragspartnern getroffenen Vereinbarungen, sondern auch der...