Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 171
Bei der Dotation der Stiftung durch den Stifter bestimmt sich die Stkl. gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Stifter. Die Stkl. bestimmt den Freibetrag (§ 16 ErbStG) und den Steuersatz (§ 19 ErbStG).
Rz. 172
Die FinVerw und das FG Münster stellen hierbei auf die potenzielle Berechtigung nach der Satzung der Stiftung ab (R E 15.2 Abs. 1 Satz 2 f. ErbStR; FG Münster, Urteil vom 18.05.2017 – 3 K 3247/15 Erb), sodass es nicht auf die tatsächliche Leistungsberechtigung im Zeitpunkt der Stiftungserrichtung ankommt. Der BFH hat die Entscheidung des FG Münster aufgehoben, ohne in dieser Frage zu entscheiden (BFH vom 19.02.2020 – II R 32/17).
Rz. 173
§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gewährt das Stkl.-Privileg dem Wortlaut nach nur an "inländische Familienstiftungen." Die Dotation einer ausländischen Familienstiftung wäre daher mit der Stkl. III zu besteuern (FG Rheinland-Pfalz vom 19.03.1998, 5 K 2887/97, EFG 1998, 1021). Soweit es ausländische Stiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung im EU-/EWR-Raum betrifft, erscheint ihr Ausschluss von der Begünstigung unionsrechtswidrig (EuGH vom 17.01.2008 - C-256/06 Theodor Jäger/FA Kusel-Landstuhl, DStRE 2008, 174; FG Hessen vom 07.03.2019, 10 K 541/17 Revisionsverfahren am BFH – II R 25/19 durch Zurücknahme erledigt). Wortlautgemäß kommt auch nur eine Verfügungsbeschränkung zugunsten einer Stiftung i. S. d. bürgerlichen Rechts (§§ 80 ff. BGB) in Betracht, da die Vorschrift auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verweist (BFH, Urteil vom 25.01.2017, BStBl II 2018, 199, s. Rn. 154). Ausgeschlossen sind daher die Anwendung auf den Familienverein oder eine Stiftungs-KapG.
Rz. 174
Spätere Zuwendungen an die Stiftung fallen hingegen immer unter die Stkl. III, denn § 15 Abs. 2 Satz 1 verweist auf die §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Beide Vorschriften betreffen lediglich die Dotation der Stiftung bei der lebzeitigen (§ 7 ErbStG) oder letztwilligen (§ 3 ErbStG) Errichtung. Für die lebzeitige Stiftungserrichtung folgt das aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG; für die Errichtung v.T.w. folgt dies aus dem Zusammenhang der beiden Normen (vgl. M/W, § 3 Rz 197, Hannes/Holtz in Meincke/Hannes/Holtz, 18. Aufl. 2021, ErbStG § 3 Rn. 107). Etwas anderes gilt, wenn der Stifter sich bereits in der Stiftungsurkunde zu einer späteren Zustiftung verpflichtet hat. Dann gilt auch für die spätere Zustiftung § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und dementsprechend die Möglichkeit eines günstigeren Freibetrages und Steuersatzes.
Rz. 175
Eine Mehrheit von Stiftern kann dieselbe Stiftung errichten (s. Rz. 54). Die gemeinsame Stiftung kann zeitgleich erfolgen oder konsekutiv, wenn sich bspw. Ehegatten in gemeinschaftlicher letztwilliger Verfügung binden, nach dem Tod des Längerlebenden eine gemeinsame Stiftung zu errichten (BGH vom 09.02.1978 – III ZR 59/76, s. Rz. 54). Nicht eindeutig ist die Antwort auf die Frage, welche Stkl. für die Erbschaft-/Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Stiftung durch eine Stiftermehrheit Anwendung findet, ob also in diesem Fall das Stkl.-Privileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gelten kann. Die Anwendung des Privilegs mag wenig problematisch scheinen, wenn alle potenziellen Begünstigten sicher in die Stkl. I fallen. Handelt es sich bei der Stiftermehrheit allerdings um Geschwister, die bspw. auch ihre jeweiligen Kinder als Begünstigte der Stiftung einsetzen, gelangt die Stkl. II in den Blickwinkel, sodass auf den ersten Blick eine Anwendung des Stkl.-Privilegs für solche Fälle ausscheidet. Ein Ansatz für den Erhalt der Stkl. I bei einer Mehrheit von Stiftern und Begünstigten, die nicht ausschließlich im Verhältnis der Stkl. I zueinander stehen, ist die Bildung von Sondervermögen innerhalb des Stiftungsvermögens getrennt nach der Herkunft von den jeweiligen Stiftern (vgl. von Oertzen/Reich, DStR 2019, 317). Die Erträge des jeweiligen Sondervermögens sollen dann durch Satzungsregelung nur diejenigen Destinatäre versorgen, die zum jeweiligen Stifter dieses Sondervermögens im Verwandtschaftsverhältnis der Stkl. I stehen.