Rz. 23
Das Vermächtnis ist in § 1939 BGB als Einzelzuwendung eines Vermögensvorteils definiert, die nur durch eine Verfügung von Todes wegen erfolgen kann und den Bedachten nicht zum Erben macht (Weidlich in Grüneberg, § 2147 Rn. 1). Beim Vermächtnis erhält der Erwerber mit dem Tod des Erblassers zwar nicht den zugedachten Vermögensvorteil selbst, wohl aber ein Forderungsrecht auf diesen (s. §§ 2174, 2176 BGB). Da schon der Erwerb des Forderungsrechts selbst die Steuerpflicht auslöst, entsteht die Steuer schon mit dem Tod des Erblassers. Dies bedeutet, dass eventuelle Probleme des Vermächtnisnehmers mit der Durchsetzung seines Anspruchs bei der Besteuerung nicht berücksichtigt werden. Im Extremfall kann dies z. B. bei einem unverschuldeten Untergang des Vermächtnisgegenstandes bedeuten, dass der Vermächtnisnehmer Erbschaftsteuer bezahlen muss, obwohl er den Gegenstand niemals erlangt hat. Dies ist eine Konsequenz des Stichtagsprinzips, die dadurch entstehenden Härten können nur ggf. durch einen Billigkeitserlass korrigiert werden (s. Hannes/ Holtz in M/H/H, § 9 Rn. 13).
Rz. 24
In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass eine Vereinbarung von Erben und Vermächtnisnehmer, nach der der Vermächtnisnehmer statt des zugedachten Gegenstandes einen anderen an Erfüllungs statt erhält und annimmt, keine Auswirkungen auf die Höhe der Erbschaftsteuer haben kann, da dies ein Ereignis nach der Steuerentstehung ist (s. BFH vom 25.10.1995, BStBl II 1996, 97). Dieses Ergebnis lässt sich dadurch vermeiden, dass der Vermächtnisnehmer stattdessen das Vermächtnis gegen eine Abfindung in Form des anderen Gegenstandes ausschlägt. Hierfür existieren, anders als bei der Ausschlagung einer Erbschaft, auch keine gesetzlichen Fristen. In diesem Fall muss der Ausschlagende die Abfindung gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG versteuern (s. § 3 Rn. 470).
Rz. 25
Auch für die vermächtnisgleichen Erwerbe i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (s. § 3 Rn. 400) entsteht die Steuer mit dem Tod des Erblassers.
Rz. 26
Beim Kaufrechtsvermächtnis ging der BFH in Abweichung von der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. dazu BGH vom 27.06.2001, NJW 2001, 2883) zunächst davon aus, dass der Vermächtnisnehmer nicht einen Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrages, sondern nur ein Gestaltungsrecht erwirbt (s. § 3 Rn. 241). Der BFH vertrat die Ansicht, ähnlich wie beim Pflichtteilsrecht könne beim Kaufrechtsvermächtnis die Steuer erst mit der Geltendmachung des Gestaltungsrechts entstehen, da sich der Vermögensvorteil erst dann realisiere (s. BFH vom 06.06.2001, BStBl II 2001, 605). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Die Annahme eines Gestaltungsrechts sei zivilrechtlich verfehlt und widerspreche § 2174 BGB, wonach Gegenstand eines Vermächtnisses stets nur eine Forderung sein könne (s. Meincke in FS Jagenburg, München 2002, 579). Der BFH hat mit Urteil vom 13.08.2008 (BFH/NV 2008, 1760) die Rechtsprechung vom Gestaltungsrecht als Erwerbsgegenstand aufgegeben. Erwerbsgegenstand eines Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnisses ist die aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gem. § 2174 BGB gegen den Beschwerten. Die Forderung aus Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnissen ist nicht mit dem Steuerwert des vermachten Gegenstandes zu bewerten, sondern mit dem gemeinen Wert.
Rz. 27
Ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis ermöglicht einen späteren Zufluss beim Vermächtnisnehmer. Durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG wird diese spätere Entstehung des Vermächtnisses auch erbschaftsteuerlich nachvollzogen. Die Steuer entsteht erst mit Eintritt der Bedingung und der mit dem Vermächtnis Belastete kann gem. § 6 Abs. 1 BewG dieses Vermächtnis im Zeitpunkt des Todes noch nicht als Belastung gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abziehen (vgl. Stein, ZEV 2011, 572).Dies wird durch ein Urteil des FG Münster (vom 18.05.2017, ZEV 2017, 731) gestützt. Danach darf ein Alleinerbe, der zugleich Vermächtnisnehmer ist, den positiven Erwerb aus dem Vermächtnis nicht mit einem negativen Wert aus der Erbschaft saldieren, wenn das Vermächtnis durch ein ungewisses Ereignis zum Todeszeitpunkt (= Zeitpunkt des Erbanfalls) noch nicht fällig ist.
Rz. 28–29
vorläufig frei