Einbeziehung von sog. Schönheitsreparaturen


Herstellungskosten Einbeziehung Schönheitsreparaturen

Anschaffungsnahe Herstellungskosten sind nicht sofort als Betriebsausgaben oder Werbungskosten, sondern nur im Wege der AfA zu berücksichtigen. Im Top-Thema werden neue Rechtserkenntnisse und Rechtsentwicklungen zur Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG aufgezeigt.

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von 3 Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf sämtliche Einkunftsarten und Gewinnermittlungsmethoden anzuwenden, die Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG für Überschusseinkünfte entsprechend. Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG als  Bewertungsvorschrift i.S.d. § 5 Abs. 6 EStG zu verstehen, die ein Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz zur Folge hat. Anschaffungsnahe Herstellungskosten erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage und sind daher nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten sofort abziehbar.

Nicht zu diesen Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG die

  • Aufwendungen für Erweiterungen  i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (z. B. die Kosten eines Anbaus, eines Einbaus von Dachgauben, einer Aufstockung oder der Errichtung eines Wintergartens) sowie
  • Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen  (z. B. Heizungswartung).

Fraglich war, ob Aufwendungen für Schönheitsreparaturen in die anschaffungsnahen Herstellungskosten einbezogen werden müssen.

Beispiel:  Prüfung der 15 %-Grenze

A erwarb mit notariellem Vertrag vom 2.12.2013 ein vermietetes Einfamilienhaus zu einem auf das Gebäude entfallenden Kaufpreis von 300.000 EUR. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr gingen vertragsgemäß am 1.1.2014 über. 

In der Zeit vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2016 führte A in der vermieteten Wohnung sowie am Gebäude in größerem Umfang Umbau- und Renovierungsmaßnahmen durch:

2014:

Aufwendungen für die Erneuerung der Dacheindeckung: netto

18.000 EUR

2015:

Aufwendungen für die Erneuerung der Fußbodenbeläge und Fenster: netto

10.000 EUR

2016:

Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung der vorhandenen Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen: netto

17.000 EUR

 2016:

Aufwendungen für Schönheitsreparaturen: Tapezieren und Anstreichen der Wände und Decken

5.000 EUR

Summe netto

50.000 EUR

Umsatzsteuer: 19 % von 50.000 EUR

9.500 EUR

Summe brutto

59.500 EUR

A hat die Aufwendungen von brutto insgesamt 59.500 EUR in seinen Einkommensteuererklärungen 2014 = 21.420 EUR, 2015 = 11.900 EUR und 2016 = 26.180 EUR als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. 

Frage: Sind die 2016 entstandenen Aufwendungen für die Schönheitsreparaturen von netto 5.000 EUR in die 15 %-Grenze einzubeziehen?

Lösung: Der Dreijahreszeitraum beginnt mit der "Anschaffung des Gebäudes". Maßgebend ist i.d.R. der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Grundstück nebst vorhandenem Gebäude, also der Zeitpunkt, zu dem Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren übergehen (hier: 1.1.2014). Die Dreijahresfrist ist auf den Tag genau zu ermitteln. Es muss daher geprüft werden, ob die in den Jahren 2014 bis 2016 als Werbungskosten abgesetzten Kosten die 15 %-Grenze übersteigen. Die 15 %-Grenze ist eine Freigrenze, bereits ein geringfügiges Überschreiten führt zu Herstellungskosten für den gesamten Aufwand.

Streitpunkt bei den sog. Schönheitsreparaturen

Strittig ist, ob auch sog. Schönheitsreparaturen zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten zählen, wenn sie innerhalb von 3 Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden und die hierfür angefallenen Aufwendungen – ggf. zusammen mit weiteren Aufwendungen für bauliche Maßnahmen – die 15 %-Grenze übersteigen. Zu den Schönheitsreparaturen gehören das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BFH/NV 2016 S. 1617, Rn. 16). In der Literatur wird die Einbeziehung von Schönheitsreparaturen in die 15 %-Grenze zum Teil verneint.

BFH schafft Klarheit

Der BFH hat jüngst in 2 Grundsatzentscheidungen Klarheit geschaffen (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BFH/NV 2016 S. 1617; Urteil v. 14.6.2016, IX R 22/15, BFH/NV 2016 S. 1623). Unter den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG fallen nach Meinung des BFH bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. 

Schönheitsreparaturen sind nicht auszuklammern 

Sog. Schönheitsreparaturen gehören stets dazu. Denn auch Schönheitsreparaturen in diesem Sinne sind bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes beseitigt werden. Soweit der BFH früher noch einen engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Schönheitsreparaturen zu einer als einheitlich zu würdigenden Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes gefordert hat, hält er hieran nicht mehr fest. Schönheitsreparaturen können nicht unter Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 2. Alt. EStG), subsumiert werden, weil sie im Regelfall nicht jährlich vorgenommen werden (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BFH/NV 2016 S. 1617, Rn. 18).

Die Netto-Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Schönheitsreparaturen der Jahre 2014 bis 2016 von 50.000 EUR übersteigen die 15 %-Grenze. Daher handelt es sich vorliegend um anschaffungsnahe Herstellungskosten. Die Brutto-Aufwendungen von 59.500 Euro sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i. V. mit § 7 EStG). 

Erstattung von dritter Seite mindern die Aufwendungen

Etwaige Erstattungen für Materialkosten und Fertigungsleistungen von dritter Seite mindern die anschaffungsnahen Herstellungskosten, auch bei der Berechnung der 15 %-Grenze. Die 15 %-Grenze ist vorliegend nicht überschritten, wenn ein Handwerker dem A z. B. im Januar Jahr 2017 wegen mangelhafter Materiallieferung von dem 2016 in Rechnung gestellten Betrag 7.140 EUR (6.000 EUR + 19 %) zurückerstattet. Die maßgeblichen Aufwendungen betragen dann netto 44.000 EUR (50.000 EUR ./. 6.000 EUR).

Für den Fall, dass die 15 %-Grenze auch unter Berücksichtigung einer späteren Erstattung überschritten ist, verbleibt es bei der  Behandlung als anschaffungsnahe Herstellungskosten, wobei nur der Saldobetrag bei den anschaffungsnahen Herstellungskosten zu berücksichtigen ist. In diesem Fall ist der Erstattungsbetrag nicht als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Wurden die Aufwendungen jedoch bisher in voller Höhe in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen, ist diese im Jahr des Zuflusses um die Erstattungsbeträge zu mindern (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BFH/NV 2016 S. 1617, Rn. 31).

Änderung bereits erfolgter Steuerfestsetzungen

Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und anschaffungsnahen Herstellungskosten kann erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums erfolgen, solange nicht erkennbar ist, ob die 15 %-Grenze überschritten wird. Solange nicht konkret feststeht, dass die Grenze überschritten wird, muss Erhaltungsaufwand angenommen werden. Werden innerhalb der ersten 3 Jahre nach Erwerb des Objekts Erhaltungsaufwendungen geltend gemacht und ist die 15 %-Grenze noch nicht überschritten, führen die Finanzämter die Veranlagungen insoweit vorläufig durch. Bei Überschreiten der 15 %-Grenze in einem Folgejahr vor Ablauf der 3 Jahre, sind die Erhaltungsaufwendungen der zurückliegenden Jahre in anschaffungsnahe Herstellungskosten umzuqualifizieren und die Veranlagungen nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern.

Sind die Steuer- bzw. Feststellungsbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig ergangen, ist in der Überschreitung der gesetzlichen 15 %-Grenze in einem nachfolgenden Jahr ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu sehen (AEAO, § 175, Nr. 2.4).

Jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsaufwendungen

Zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG ausdrücklich nicht die Aufwendungen für Erweiterungen i. S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Zu den jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne gehören nach Meinung des BFH insbesondere Aufwendungen für regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen und -verkalkungen oder Ablesekosten (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 22/15, BFH/NV 2016 S. 1623, Rn. 24). Die Aufwendungen dafür sind abzugsfähig, auch wenn die übrigen Aufwendungen in dem betreffenden Jahr als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu qualifizieren sind.

Unterschiedlich genutztes Gebäude

Bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist zwar grundsätzlich auf das Gesamtgebäude abzustellen, jedoch dann auf Gebäudeteile, wenn sie wegen unterschiedlicher Nutzung ertragsteuerlich als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 25/14, BFH/NV 2016 S. 1617, Rn. 24; BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 22/15, BFH/NV 2016 S. 1623, Rn. 25). Beispielsweise sind die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln, wenn diese teils eigenbetrieblich und teils zu Wohnzwecken durch Vermietung genutzt werden, weil diese Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen.

Bei einem  aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude ist auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist. Das ist z. B. der Fall wenn die Wohnungen eines Mehrfamilienhauses sämtlich zu Wohnzwecken vermietet werden