Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO
Hintergrund: Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung
A ist Arbeitgeber mit seiner Betriebsstätte im Bezirk des FA A. Bis 2001 war seine Ehefrau (E) beim FA A beschäftigt.
Wegen dieser Beschäftigung der E hatten das FA A und das FA B auf Anregung der Eheleute in 1994 eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO abgeschlossen, nach der das FA B für die Personen- und Betriebssteuern der Eheleute und damit auch für die LSt zuständig war.
Nach Beendigung des Angestelltenverhältnisses der E beim FA A und des zwischenzeitlich eingetretenen Wechsels der mit dem Besteuerungsverfahren betrauten Amtsträger teilte das FA B den Eheleuten in 2013 mit, der Grund für die 1994 getroffene Zuständigkeitsvereinbarung sei entfallen und § 27 AO sei nicht mehr anwendbar. Demgemäß teilte das FA A dem A u.a. für Zwecke der LSt-Anmeldung eine auf das FA A lautende Steuernummer zu.
Die Eheleute waren mit dem Zuständigkeitswechsel nicht einverstanden. In 2014/2015 forderte das FA A den A mehrfach auf, die LSt-Anmeldungen nunmehr dem FA A in elektronischer Form zu übermitteln. Gleichwohl gab A die LSt-Anmeldungen weiterhin ausschließlich beim FA B ab, und zwar für die streitigen Zeiträume Februar bis Juni 2015 nicht elektronisch, sondern auf von A erstellten Formularen. Das FA B leitete die eingereichten Unterlagen an das FA A weiter. Dieses schätzte auf dieser Grundlage die LSt für die streitigen Anmeldezeiträume Februar bis Juni 2015 und setzte Verspätungszuschläge fest.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die Zuständigkeitsvereinbarung sei durch die Erklärungen der beiden FÄ mit Wirkung ab Juli 2014 entfallen. Die in Papierform und nicht elektronisch eingereichten LSt-Anmeldungen seien nicht gültig. Das FA B habe daher die Verspätungszuschläge festsetzen können.
Entscheidung: Wirksame Aufhebung der Zuständigkeitsvereinbarung ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Revision des A wurde zurückgewiesen.
Kein Zustimmungserfordernis
Anders als der Abschluss einer Zuständigkeitsvereinbarung ist für die Aufhebung die Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht erforderlich. Das in § 27 AO für den Abschluss verankerte Zustimmungserfordernis wurde eingefügt, um den Steuerpflichtigen vor willkürlichen Vereinbarungen zu schützen und um dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zu genügen. Denn die Zuständigkeit des FG knüpft an die Zuständigkeit der Finanzbehörde an (AEAO Abschn. 27 Tz 1). Durch die Aufhebung einer bestehenden Zuständigkeitsvereinbarung wird indes keine neue Zuständigkeit geschaffen. Es erfolgt lediglich die Rückkehr zur gesetzlich vorgesehenen örtlichen Zuständigkeit.
Kein Vertrauensschutz
Mit der Beendigung der Beschäftigung der E beim FA A und dem Wechsel des mit dem Besteuerungsverfahren des A betrauten Amtsträgers sind die Gründe für den Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung entfallen. A konnte daher nicht darauf vertrauen, die Vereinbarung werde gleichwohl "für immer" Bestand haben.
Gerechtfertigte Festsetzung der Verspätungszuschläge
A hat die LSt-Anmeldungen Februar bis Juni 2015 nicht in der gebotenen elektronischen Form beim FA A eingereicht. Er ist damit seiner Anmeldungs-Verpflichtung (§ 41a EStG) nicht nachgekommen. Das FA war daher zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen berechtigt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Nichtabgabe der Lohnsteuer-Anmeldungen ist nicht entschuldbar. Denn das FA A hatte den A auf die Pflicht zur Abgabe nunmehr beim FA A hingewiesen. A war auch in der Lage die Anmeldungen elektronisch einzureichen.
Keine Entscheidung über die Einwendungen gegen die elektronische Abgabe
A hatte im Klageverfahren auch vorgetragen, eine elektronische Übermittlung sei ihm nicht möglich gewesen, da durch die Maßnahmen des FA A sein, des A, Programm "völlig zerstört" worden sei. Dazu bemerkt der BFH, dass über die Gründe gegen die elektronische Abgabeverpflichtung im Verfahren über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht entschieden wird. Entscheidungserheblich ist dies nur im Verfahren über einen Verzicht auf die elektronische Abgabe nach § 41a Abs. 1 Satz 3 EStG (BFH v. 15.12.2015, V B 102/15, BFH/NV 2016, 373, Rz 18, zur USt-Voranmeldung).
Hinweis: Vertrauensschutzgesichtspunkte
Im Schrifttum wird vertreten, in der Zustimmung des Steuerpflichtigen zu einer Zuständigkeitsvereinbarung liege ein Beitrag, der einen Anspruch auf Vertrauensschutz begründen könne. Bei unverändertem Sachverhalt verstoße die grundlose Aufhebung der Zuständigkeitsvereinbarung ohne den Willen des Steuerpflichtigen gegen Treu und Glauben. Im Streitfall greifen diese Gesichtspunkte nicht, da die Gründe für den Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung entfallen waren.
BFH Urteil vom 12.07.2021 - VI R 13/19 (veröffentlicht am 02.09.2021)
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