Biberschaden ist keine außergewöhnliche Belastung
Hintergrund: Biberfamilie missachtete das Eigentumsrecht am Hausgrundstück
Die Eheleute machten Aufwendungen von ca. 4.000 EUR im Zusammenhang mit einem Biberschaden an Terrasse und Garten ihres selbstbewohnten Einfamilienhauses als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Biber untergruben eine Böschung, worauf diese samt der Terrasse absackte. Die Pflasterung der Terrasse und der abgesackten Wege wurde durch eine Fachfirma erneuert. Diese errichtete zudem eine "Bibersperre" in Form eines mit Wackergeröll verfüllten Grabens.
Das FA anerkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung und berücksichtigte die nachgewiesenen Lohnkosten als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a Abs. 3 EStG. Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Es fehle an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des privaten Wohnens.
Entscheidung: Wildtierschäden sind nicht außergewöhnlich
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die geltend gemachten Aufwendungen zur Beseitigung der Biberschäden und zur Errichtung der Bibersperre sind nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.
Grundgedanke des § 33 EStG
Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH v. 22.10.2019, VI R 48/17, BFH/NV 2020, 190, Rz 11). Von § 33 EStG sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, ausgeschlossen (BFH v. 21.2.2018, VI R 11/16, BStBl II 2018, 469, Rz 22). Das gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich betreffen (BFH v. 10.3.2015, VI R 60/11, BStBl II 2015, 695, Rz 16).
Wildtierschäden sind keine seltene Erscheinung
Hiervon ausgehend sind die streitigen Aufwendungen bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in Deutschland – zum Teil erfolgreich gefördert – wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können zum Teil beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen – insbesondere in Siedlungsräumen – Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats.
Ein Wildtierschaden ist nicht mit einer privaten Katastrophe vergleichbar
Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden durch Wildtiere und für Maßnahmen zur Vermeidung von Wildtierschäden sind daher nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S. des § 33 EStG, etwa mit Schäden aufgrund von Brand, Hochwasser oder einer "privaten Katastrophe" (BFH v. 6.5.1994, III R 27/92, BStBl II 1995, 104), vergleichbar. Aufwendungen in Zusammenhang mit Wildtierschäden sind daher grundsätzlich nicht nach § 33 EStG zu berücksichtigen, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden (BFH v. 20.1.2016, VI R 19/14, Rz 25; v. 28.3.2018, VI B 106/17, Rz 9; v. 19.6.2006, III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057, jeweils betreffend ebenfalls nicht unübliche Baumängel).
Berücksichtigung als Handwerkerleistungen
Da somit eine Berücksichtigung nach § 33 EStG ausscheidet, hat das FA die nachgewiesenen Lohnkosten zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.
Hinweis: Naturschutz ist keine steuerliche Aufgabe
Der BFH ergänzt, es sei nicht Aufgabe des Steuerrechts, über den Abzug nach § 33 EStG für einen Ausgleich von durch Wildtiere verursachten Schäden Sorge zu tragen. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Schäden aufgrund naturschutzrechtlicher Regelungen, die effektive Schutzmaßnahmen verbieten, nicht vermeiden lassen. Es ist vielmehr Aufgabe des Naturschutzrechts, durch ein urbanes Wildtiermanagement Schäden zu vermeiden und – so der Gesetzgeber dies für erforderlich hält – durch die Errichtung entsprechender Fonds für einen Schadensausgleich zu sorgen.
Im Streitfall dürfte es sich bei dem Schwerenöter um den europäischen Biber, auch eurasischer Biber genannt, gehandelt haben. Diese Spezies (Castor fiber) ist naturschutzrechtlich geschützt. Gleichwohl sind zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden gewisse Abwehrmaßnahmen zulässig. Der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung müssen sich die Eheleute daher auch entgegen halten lassen, dass sie die Schäden durch rechtzeitige Abwehrmaßnahmen, wie sie sie später mit dem Bau einer Bibersperre eingeleitet haben, hätten verhindern können.
BFH Urteil vom 01.10.2020 - VI R 42/18 (veröffentlicht am 17.12.2020)
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