Einkünftekorrektur bei Abschreibung auf unbesicherte Darlehensforderung im Konzern
Hintergrund: Teilwertabschreibung auf eine unbesicherte Darlehensforderung im Konzern
Die inländische A-KG gründete in 2010 als Alleingesellschafterin die T Ltd. mit Sitz in der Türkei und gewährte dieser Tochtergesellschaft ein mit 6 % p.a. verzinsliches Darlehen ohne Bestellung einer Sicherheit.
Zum 31.12.2011 valutierte da Darlehen noch in Höhe von rund 1 Mio. EUR zzgl. Zinsen. Nachdem in 2011 die Liquidation der T beschlossen worden war, nahm die A zum 31.12.2011 eine Teilwertabschreibung auf die gesamte Darlehens- und Zinsforderung vor.
Das FA ging davon aus, die Teilwertabschreibung sei außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Wenn ein Darlehen im Hinblick auf den "Rückhalt im Konzern" ohne Sicherheit und ohne Risikozuschlag auf den Zinssatz gewährt werde, sei eine Teilwertabschreibung nicht möglich, solange der Konzernrückhalt Bestand habe. Dementsprechend neutralisierte das FA die Teilwertabschreibung außerbilanziell durch Zurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG. Die Klage blieb überwiegend ohne Erfolg.
Entscheidung: Neutralisierung der Teilwertabschreibung
Die Teilwertabschreibung auf die Darlehens- und Zinsforderung war in vollem Umfang zu neutralisieren. Dabei kann offen bleiben, ob bereits kein anzuerkennendes Darlehen, sondern eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlage in das Vermögen der T vorlag. Die Korrektur ist jedenfalls nach § 1 Abs. 1 AStG vollumfänglich gerechtfertigt.
Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG auch im Konzern
Bei A und T handelt es sich um einander nahe stehende Personen i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG. Ein fremder Dritter hätte das Darlehen nicht ohne Sicherheiten gewährt (Fremdvergleichsgrundsatz). Das Darlehensverhältnis ist eine zum Ausland bestehende Geschäftsbeziehung i.S. von § 1 Abs. 5 AStG, zu deren Bedingungen die Nichtbesicherung der Ansprüche gehört.
Der BFH verweist insoweit auf das Urteil v. 27.2.2019, I R 73/16 (BStBl II 2019, 394). Danach ist in der Nichtbesicherung eines Darlehens grundsätzlich ein nicht fremdüblicher Umstand zu sehen. Das gilt auch im Hinblick auf den Rückhalt im Konzern. Denn der Konzernrückhalt bringt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb des Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern. Eine rechtliche Verpflichtung, für die Rückzahlung eines Darlehens einzustehen, ist damit jedoch nicht verbunden. Damit ist die Einkünfteminderung i.S. von § 1 AStG durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten (BFH v. 27.2.2019, I R 73/16, BStBl II 2019, 394).
Die Hinzurechnung gilt auch für die Zinsforderung
Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass ein nicht mit der T verbundener Darlehensgeber die Forderung auf die Zinsen nicht besichert hätte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei der T um ein neu gegründetes Unternehmen ohne nennenswertes Anlagevermögen handelte und auch hier die Besicherung nicht unter dem Gesichtspunkt des Konzernrückhalts entbehrlich war (BFH v. 27.2.2019, I R 73/16, BStBl II 2019, 394, mit daran anschließenden Folgeurteilen).
Keine Sperrwirkung durch DBA
Der Einkünftekorrektur steht auch Art. 9 Abs. 1 DBA Türkei nicht entgegen. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden (BFH v. 27.2.2019, I R 73/16, BStBl II 2019, 394, sowie die Folgeurteile v. 19.6.1019, I R 54/17, BFH/NV 2020, 183; v. 14.8.2019, I R 14/18, BFH/NV 2020, 755; v. 14.8.2019, I R 21/18, BFH/NV 2020, 759), dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht festhält, nach der bei Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk nachgebildeten Bestimmungen (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei) eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG nur dann möglich sein sollte, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte (vgl. BFH v. 17.12.2014, I R 23/13, BStBl II 2016, 261, und v. 24.6.2015, I R 29/14, BStBl II 2016, 258). Vielmehr ermöglicht der Korrekturbereich des Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehens- und Zinsforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf. Für Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei gilt nichts anderes.
Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die grundsätzlich auch im Verkehr mit Drittstaaten geschützte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) wird von der insoweit vorrangig anzuwendenden Niederlassungsfreiheit verdrängt (BFH v. 6.3.2013, I R 10/11, BStBl II 2013, 707; v. 19.7.2017, I R 87/15, BStBl II 2020, 237). Sie wäre im Übrigen auch wegen der sog. Standstill-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV nicht anwendbar (BFH v. 27.2.2019, I R 51/17, BStBl II 2020, 440).
Hinweis: Änderungsbescheid als Verfahrensgegenstand
Das FA hatte den ursprünglich angefochtenen (auf § 1 AStG gestützten) Gewinnfeststellungsbescheid 2011 während des Klageverfahrens durch einen (auf § 8b KStG gestützten) Gewinnfeststellungsbescheid geändert bzw. ersetzt. Da beide Varianten zulässig sind (BFH v. 18.7.2020, X R 28/10, BStBl II 2013, 444), wurde der Änderungsbescheid nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens.
BFH Urteil vom 19.02.2020 - I R 19/17 (veröffentlicht am 17.12.2020)
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